Arado Ar 234

 

Das Technische Amt der Luftwaffe schrieb Ende 1940 einen Entwicklungsauftrag für einen Hochgeschwindig-keitsaufklärer aus. Die Maschine sollte als Antrieb die neuen Strahltriebwerke der Firmen Junkers und BMW erhalten. Im Frühjahr 1941 legten die Arado-Werke mehrere Entwürfe beim Reichsluftfahrtministerium vor. Von den Entwürfen wurde der Entwurf E.370, der einen Schulterdecker in Ganzmetallbauweise mit ungepfeilten Tragflächen vorsah, bevorzugt.

Bereits im Winter 1941/42 waren die Zellen der ersten beiden Prototypen fertig. Der erste Prototyp der nun offiziell Ar 234 genannten Maschine, die Ar 234 V-1 mit dem Kennzeichen TG+KB, und der zweite, die V-2 mit dem Kennzeichen DP+AX, mußten jedoch noch bis ins Frühjahr warten, da die neuen Triebwerke noch nicht lieferbar waren. Bemerkenswert bei den ersten Ausführungen war die Tatsache, daß sie kein Fahrgestell besaßen. Da man die Kräfte, die bei der Landung einer so schnellen Maschine entstehen, für ein Fahrwerk zu hoch hielt, sollten die Maschinen auf Kufen landen. Gestartet wurde von einem Startwagen aus, der beim Start abgeworfen wurde.

Als im Februar die ersten Jumo 004 A-0-Triebwerke geliefert wurden, verfrachtete man die beiden Prototypen nach Rheine. Am 15. Juni 1943 erfolgte der Erstflug der Ar 234 V-1. Dabei zeigte sich, daß der Startwagen beim Start zu Bruch ging, er wurde aus nur 60 m Höhe abgeworfen. Dann nahm auch die Ar 234 V-2 an dem Erprobungsprogramm teil.

Der Prototyp der geplanten A-Serie, die Ar 234 V-3 mit dem Kennzeichen DP+AW, startete am 25. August 1943. Sie besaß eine Druckkabine und einen Schleudersitz, sie ging bei  der Erprobung zu Bruch. Ihr folgte die ähnlich gebaute V-4. Der fünfte Prototyp, die V-5, absolvierte ihren Erstflug am 20. Dezember 1943. Sie war bereits mit den neuen Jumo 004 B-Triebwerken ausgestattet worden.

Um nicht vollständig auf die Jumo-Triebwerke angewiesen zu sein, entstanden die Prototypen Ar 234 V-6 (GK+IW) und Ar 234 V-8 (GK+IY). Sie trugen vier BMW 003-Triebwerke unter den Flügeln. Bei der V-7 waren diese jeweils in Einzelaufhängung angebracht worden, die V-8 erhielt Zwillingsgondeln. Der Erstflug der Prototypen V-6 fand am 8. April 1944 statt, während die V-8 niemals vom Boden abhob. Die Kraft, die die Triebwerke in den Zwillingsgondeln entwickelten, führten zu Rissen zwischen dem Rumpf und den Triebwerks-gondeln.

Die oben ausgelassene V-7 mit dem Kennzeichen GK+IX stürzte schon bei einem der ersten Erprobungsflüge ab.

Da sich während der Erprobung herausgestellt hatte, daß der Start mit dem Startwagen nicht frontreif war, mußte man den Rumpf verstärken und ein Bugradfahrwerk einbauen. Als Prototyp für diese Entwicklung wurde die Ar 234 V-9 gebaut. Das Flugzeug absolvierte seinen Erstflug am 10. März 1944 und war mit den verbesserten Jumo 004 B-1-Triebwerken ausgestattet. Außerdem besaß das Flugzeug den oben bereits erwähnten Schleudersitz und die Druckkabine.

Der nächste Prototyp, die Ar 234 V-10, Kennzeichen PH+SQ, wurde bereits als Bomber konzipiert. Die Maschine erhielt ein BZA-Bombenvisier und konnte zwei ETC 500-Bomben unter den Triebwerksgondeln mit sich führen. Auch hier wurden wieder Prototypen mit BMW-Triebwerken gebaut, die Ar 234 V-11 (PH+SR), V-15 und V-17. Dabei zeigte sich, daß es unmöglich war, die BMW-Turbinen im Flug wieder zu starten.

Die Prototypen Ar 234 V-12 und V-14 entsprachen weitgehend der V-10, während die  V-13 wieder mit vier BMW 003-Triebwerken ausgerüstet wurde, die ähnlich wie bei der V-8 aufgehängt waren. Der Prototyp V-13 flog im August 1944 zum ersten Mal.

Die abschließende Ausführung der vierstrahligen Version, der C-1-Serie, wurde erstmals bei dem Prototyp V-19 realisiert. Diese Maschine startete am 30. September 1944 zu ihrem Jungfernflug. Der Nachfolger, die V-20, war mit einer Druckkabine ausgerüstet. Der Prototyp der C-3-Serie war jedoch erst die  Ar 234 V-21. Die Maschine hatte zwei MG 151/20 unter dem Rumpfbug und zwei weitere unter dem Heck, die nach rückwärts feuerten. Weitere Prototypen waren V-22, V-23, V-24 und V-25. Die Ausführung C-4 war eine vierstrahlige Aufklärermaschine und trug mehrere Reihenbildkameras im Rumpf.

Als erste zweisitzige Maschine wurde der Prototyp V-28 gebaut. Er war das Musterflugzeug für die geplante C-5-Serie, einen Bomber. Die Version C-6 war die entsprechende Aufklärerversion. Die Prototypen V-26 und V-30 waren ebenfalls Muster der C-Serie. Die Prototypen V-31 bis V-40, die bei Kriegsende noch nicht fertiggestellt waren, sollten die Prototypen der D-Serie werden.

Von der Ausführung C waren C-3N und C-7 als Nachtjäger konzipiert. Aus diesen Maschinen sollte die Ar 234 P als Serien-Nachtjäger hervorgehen.

Auf Grund der alliierten Bombenangriffe auf deutsche Rüstungsbetriebe war die Serienproduktion dezentralisiert worden. Die Endmontage der ersten 20 Flugzeuge der Reihe B-0 wurde in Alt-Lönnewitz in der Nähe von Falkenburg durchgeführt. Dort fand der erste Start der Ar 234 B-01 am 8. Juni 1944 vor einem geladenen Publikum statt. Der Flug mußte jedoch wegen technischer Schwierigkeiten bei den Instrumenten abgebrochen werden. Nachdem der Fehler behoben war, konnte eine einwandfreie Flugvorführung gezeigt werden. Danach gingen die ersten 13 Ar 234 B nach Rechlin zur Truppenerprobung.

Die erste richtige Serienmaschine war die Ar 234 B-1, ein Fernaufklärer. Die Kameraausrüstung, zwei Reihenbildgeräte (Rb) 75/30, zwei Rb 50/30, ein Rb 75/30 und ein Rb 20/30, war im hinteren Rumpfteil untergebracht. Außerdem besaß die Maschine den 3-Achsen-Autopilot PDS.

Der erste Bomber war die  Ar 234 B-2. Diese Maschinen hatten zusätzlich zum Autopiloten PDS ein Kontrollgerät LKS 7D. Gezielt wurde mit dem Bombenzielgerät Lotfe 7C und für Sturzangriffe mit einem BZA-Rechner mit RF2C-Periskop-Visier. Maximal konnte das Flugzeug 1.500 kg Bomben tragen, als Antrieb dienten die Jumo 004-Triebwerke, die die Maschinen in 6.000 m Höhe auf 780 km/h beschleunigte und sie in 6 Minuten auf 8.000 m Höhe brachte. Das Flugzeug besaß gute Flugeigenschaften, obwohl die Triebwerke noch nicht ganz ausgereift waren.

Die Prototypen V-5 und V-7 waren die ersten Maschinen, die gegen den Feind geschickt wurden. Im Juli 1944 hoben die beiden Maschinen von dem Flugplatz Juvincourt bei Reims/Frankreich ab. Die Aufklärungsmaschinen waren der 1. Staffel des Versuchsverbandes des ObdL zugeteilt und führten unbewaffnete Aufklärungseinsätze in Südengland durch und konnten mit ihrer hohen Geschwindigkeit allen Feindjägern entkommen. Am 27. Juli wurde der Verband nach Chievres und am 5. September nach Rheine verlegt. Dort stießen zwei Ar 234 B zum Verband. Auch von Rheine wurden weitere Aufklärungseinsätze gegen Südengland geflogen. In Rheine waren folgende Verbände mit Ar 234 stationiert:

Sonderkommando "Götz" 4 Ar 234 (inkl. V-6 und V-8)
Sonderkommando "Hecht" 1 Ar 234 B-1
Sonderkommando "Sperling" 5 Ar 234 B-1

Aus diesen Kommandos entstand im Januar 1945 die 1.(F)/100. Dazu kam noch die 1.(F)/123 und in Dänemark die 1.(F)/33. Die letzte Staffel wurde später nach Stavanger verlegt.

Als erste Bomberverband wurde die 11./KG 76 von ihren Ju 88 auf die Ar 234 B-2 umgerüstet. Das KG 26 flog Einsätze während der Ardennenoffensive und anschließend im Raum Kleve. Die Einsätze mußten jedoch im April 1945 wegen Treibstoffmangels aufgegeben werden.