Wagener, Otto
* 29. April 1888, Durlach + 9. August 1971, Chieming |
Wagener war der Sohn des Fabrikdirektors Willima Wagner und seiner Frau Emma.
Er absolvierte das Gymnasium in Karlsruhe Anfang Juli 1906 und trat am 9. Juli
1906 als Fahnenjunker in das Infanterie-Regiment Margraf Ludwig Wilhelm (3.
Badisches) Nr. 111 ein. Am 18. November 1907 folgte die Beförderung zum
Leutnant. Ende 1913 / Anfang 1914 wurde er auf die Kriegsakademie kommandiert.
Gleichzeitig erlernte er ab Juli 1914 die Grundkenntnisse der
Flugzeugbeobachtung in einem Kurs an der Heeresschule Döberitz. Am 1. August
1914 wurde Otto Wagener Adjutant der 55. Reserve-Infanterie-Brigade und am 8.
November 1914 zum Oberleutnant befördert. Am 18. Dezember 1915 folgte die
Beförderung zum Hauptmann. Vom 1. Februar 1916 bis zum 10. Juli 1916 führte er
das Reserve-Infanterie-Regiment 110. Anschließend wurde er zum Generalstab der
Armeegruppe von Stein und am 7. Dezember 1916 zum Generalstab der 5. Armee
versetzt. Im Mai 1918 musste er sich einem Ehrengericht stellen, welches seine
Entlassung ohne besondere Anerkennung beschloss. Danach schloss er sich 1919
einem Freikorps an der polnischen Grenze an. Mitte des Jahres 1919 ging er in
das Baltikum und wurde Chef des Generalstabes bei der Deutschen Legion, die am
25. August 1919 in Mitau aufgestellt wurde und unter dem Kommando von Kapitän
zur See Sievert stand. Als dieser im folgenden November fiel, übernahm Wagener
das Kommando. Bei den Kämpfen um Kekkau wurde er bei einem Fronteinsatz, den er
persönlich führte, durch einen Beinschuss schwer verwundet. Nach der Räumung des
Baltikums schloss sich Wagener den Freikorps in Oberschlesien, im Ruhrgebiet und
bis Februar 1922 in Sachsen an. Auch beteiligte er sich 1920 am Kapp-Putsch,
worauf er in Karlsruhe inhaftiert wurde. Weiterhin nahm er ein Studium der
Wirtschaftswissenschaften auf. Während dieser Zeit nahm er eine Tätigkeit in der
Direktion einer Fabrik für Pumpen und Armaturen auf. In den Jahren 1920 bis 1921
leitete er in Baden auch die Organisation Escherich. Schließlich nahm er Ende
1920 einen Posten in der Direktion der Nähmaschinenfabrik seines Vaters in
Karlsruhe an, und bis 1924 übernahm er auch dort eine Funktion im Vorstand. Auch
betätigte er sich von 1922 bis 1924 an der TH Karlsruhe und der Universität
Würzburg, wo er sozial- und wirtschaftspolitische Vorlesungen im Rahmen von
Handelshochschulkursen abhielt. Schon im Jahre 1923 wurde er Mitglied bei der
SA. Die Universität Würzburg verlieh ihm die Ehrendoktorwürde eines Dr. phil.
h.c. im Jahre 1924. Die Jahre 1924 und 1925 verbrachte er mit Vorlesungen und
Auslandsreisen. Außerdem betrieb er bis 1929 ein Exportgeschäft. Vom 1. Oktober
1929 bis 31. Dezember 1930 war er Stabschef beim Obersten SA-Führer (OSAF) Franz
Pfeffer von Salomon. Am 30. Dezember 1930 heiratete er Wendula Schmidt. Nachdem
Wagener erste Kontakte zur NSDAP im Juli und August 1929 aufgenommen hatte, trat
er am 1. Oktober 1929 der NSDAP (Mitgliedsnr. 159.203) bei. Von Oktober 1929 bis
zum 13. Juli 1933 gehörte er der Reichsleitung der NSDAP an. Die Funktion eines
Stabschefs der SA hatte er von Oktober 1929 bis zum 31. Dezember 1930 inne. Von
Ende August 1930 bis zum 31. Dezember 1930 führte er die SA als Oberster
SA-Führer (OSAF). Von Anfang Januar 1931 bis Juni 1932 führte er in der
Reichs-Organisationsabteilung II der NSDAP die Wirtschaftspolitische Abteilung
der NSDAP. In der Propaganda der NS-Wirtschaftspolitik betätigte er sich als
Herausgeber der „Wirtschaftspoltischen Briefe“ und gründete den
„Wirtschaftspolitischen Pressedienst“. Nachdem Wagener im Dezember 1931 zum
SA-Gruppenführer befördert worden war, übernahm er von Juni 1932 bis Anfang
September 1932 die Leitung der Hauptabteilung IV für Wirtschaftspolitik bei der
Reichsleitung der NSDAP. Anschließend stand er Adolf Hitler bis zum April 1933
als „Berater zur besonderen Verwendung“ zur Verfügung. Wagener unterstützte den
„Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand“, der die sofortige Kommunalisierung
der Groß-Warenhäuser und ihre Vermietung zu billigen Preisen an kleine
Gewerbetreibende gemäß dem Parteiprogramm der NSDAP forderte. Am 18. März 1933
wurde die Gewerbesteuer für Kaufhäuser verdoppelt; am 21. März erzwang Wagener
den Rücktritt des Präsidiums des „Verbandes deutscher Waren- und Kaufhäuser“.
Seine wirtschaftspolitische Zielsetzung waren der Vorrang von Einzelhandel und
Handwerk und der Schutz des Mittelstandes vor industrieller Konkurrenz. Anfang
April 1933 übernahm Wagener die Leitung des „Wirtschaftspolitischen Hauptamtes
der NSDAP“. Am 1. April 1933 besetzte Wagener mit einem SA-Trupp den Hauptsitz
des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (RDI). Wagener erzwang unter
Androhung von Gewalt den Rücktritt von Ludwig Kastl, dem Geschäftsführer des RDI,
und auch die Entfernung des stellvertretenden Verbandsvorsitzenden Paul
Silverberg, der jüdischer Herkunft war. Die übriggebliebene Geschäftsführung
musste ein „Gelöbnis unbedingter Gefolgschaftstreue“ ablegen und durfte danach
ihre Ämter formal behalten. Der damals noch amtierende deutschnationale
Wirtschaftsminister Alfred Hugenberg musste sich mit dem Vorgehen Wageners
abfinden und legitimierte die Gleichschaltung des RDI nachträglich durch die
Ernennung Wageners sowie eines DNVP-Mitgliedes zu "Reichskommissaren für die
Wirtschaft". Von April bis Juli 1933 hatte er damit auch die Funktion eines
Kommissars der Regierung bei der Geschäftsführung im RDI inne. Otto Wagnener
wurde ab Mai 1933 von seinen Anhängern schon als künftiger
Reichswirtschaftsminister gesehen. Als Alfred Hugenberg am 26. Juni 1933
zurücktrat, forderte Wagener zahlreiche Mitstreiter auf, zu seinen Gunsten zu
intervenieren. Kurz vor der erhofften Ernennung enthüllte Hermann Göring anhand
vieler abgehörter Telefonate, in welchem Umfang Wagener seine Anhänger
aufgewiegelt hatte, um Druck beim Führer auszuüben. Der Karrieresprung misslang,
denn Wagener fiel daraufhin bei Hitler in Ungnade. Hitler, der ihm zuvor
eigentlich die Ernennung zum „Staatssekretär im Wirtschaftsministerium“ anbieten
wollte, warf ihm sein Vorgehen als Intrige zur Erlangung des
Wirtschaftsminister-Postens vor. Einige Mitarbeiter Wageners, die in die Sache
verwickelt waren, wurden daraufhin verhaftet. Wagener selbst kam an einer
Verhaftung vorbei, verlor jedoch daraufhin seinen politischen Einfluss bei
Hitler. Seine Funktion als Reichskommissar für die Wirtschaft, die er seit dem
24. April 1933 ausübte, musste Otto Wagener am 30. Juni 1933 wieder aufgeben,
was eventuell auch auf einer Intervention des stärker planwirtschaftlich
orientierten neuen Reichswirtschaftsministers Kurt Schmitt beruhte. Schmitt
entzog Wagener den Titel eines Reichskommissars und erklärte dessen sämtliche
Maßnahmen für ungültig. Im Zuge der Verhaftungswelle zum Röhm-Putsch wurde auch
Wagener verhaftet. Angeblich entkam er seiner zugedachten Erschießung nur durch
einen Zufall. Er zog sich anschließend ins Erzgebirge zurück und widmete sich
der Landwirtschaft auf dem Gut seiner Frau.
Da er inzwischen alle bisherigen Ämter verloren hatte, trat er 1937 mit einem
neuen Antrag erneut der SA bei, wurde aber als Gruppenführer z.b.V. eingestuft.
Am 1. April 1940 wurde er als Hauptmann in die Wehrmacht aufgenommen und
Ordonnanz-Offizier im Stab der 6. Armee. Ab dem 12. Mai 1940 wurde er als
Gehilfe beim Ia der 6. Armee verwandt und am 1. September 1940 Ia der 232.
Infanterie-Division. Am 15. März 1941 wurde er zum Major und am 1. Juni 1942 zum
Oberstleutnant befördert. Im Januar 1943 wurde er Kommandeur des
Sicherungs-Regiments 177 und am 1. August 1943 zum Oberst befördert. Ab dem 12.
Februar 1944 war er mit der führung der 454. Sicherungs-Division beauftragt. Am
6. Mai 1944 in die Führer-Reserve versetzt, wurde Wagener am 20. Juli 1944 im
Rahmen des Unternehmens Marita zum Kommandant Ost-Ägäis und zum
Militärgouverneur der Inselgruppe Dodekanes ernannt. Zum 1. Dezember 1944
erfolgte seine Beförderung zum Generalmajor. Als er auf der Insel Rhodos von der
britischen Flotte eingeschlossen wurde, erklärte er die Insel zur belagerten
Festung. Weiterhin ließ er das KZ Kallithea bei der Ortschaft Kallithea (Rhodos)
und Internierungslager errichten. Unter seinem Kommando wurden italienische
Kriegsgefangene erschossen. Bei Kriegsende geriet er in britische
Gefangenschaft, aus der er 1947 an Italien ausgeliefert wurde. Ein italienisches
Kriegsgericht verurteilte ihn wegen der Verbrechen an italienischen
Kriegsgefangenen am 18. Oktober 1948 zu 15 Jahren Haft. Augenzeugen sagten
während der Verhandlungen aus, dass es auf Rhodos unter Wagener Misshandlungen
und Erschießungen gegeben habe. Im Jahre 1951 unternahm Bischof Alois Hudal bei
Bundeskanzler Konrad Adenauer eine Bittstellung, dass Adenauer sich für die
Freilassung Wageners und anderer reichs-deutscher Offiziere einsetzen solle. So
wurde Wagener schon am 4. Juni 1951 aus der Haft entlassen. 1946 schrieb Wagener
seine Erinnerungen unter dem Titel Hitler aus nächster Nähe, auch über die
Frühgeschichte der NSDAP, nieder; sie wurden 1978 posthum veröffentlicht.
Literatur und Quellen:
Krug, Ottomar Deutsche Generale 1918-1945, Bundesarchiv Freiburg, Signatur
MSG 109/10854 - Vae – Zwe
Wolfgang Keilig:
Rangliste des deutschen Heeres 1944/1945, Podzun-Verlag 1955
http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Wagener
Henry Ashby Turner jr.: Otto Wagener: Der vergessene Vertraute Hitlers. In: R.
Smelser et al.: Die braune Elite II. Darmstadt 1993.