Die deutschen Unteroffiziersschulen

Entstehung und Wachstum

Nach einem Befehl des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. wurde im Juli 1824 in Potsdam die 1. Preußische Unteroffizier-Schulabteilung geschaffen, im Anschluß an das Lehr-Infanteriebataillon. Die dem Militär - Waisenhaus entnommenen Schüler sollten nach ihrer Konfirmation zunächst ein Handwerk erlernen und wurden deshalb für vier Jahre zu Handwerkern in die Lehre gegeben. Erst dann wurden sie, nach vorausgegangener ärztlicher Untersuchung, in diese Schulabteilung aufgenommen und in einem besonderen, vom König geschenkten Haus, untergebracht und galten nunmehr als Soldaten. Für jedes Jahr der genossenen königlichen Wohltat hatten sie zwei Jahre im stehenden Heere zu dienen. Die Ausbildung bei der Schulabteilung dauerte drei Jahre. Die Uniform war die des Linieninfanteristen, jedoch ohne Nummer. Bis 1828 war die Abteilung im Gelände des späteren Garnisonlazarettes, dann in einem gegenüber dem Jägertor geschaffenen Neubau untergebracht. 1847 wurde die Zahl der 300 "Zöglinge" um 100 erhöht und eine 3. Kompanie aufgestellt. Sieben Jahre später kam noch eine weitere Kompanie dazu. 1854 erfolgte die Unterstellung der Schule unter das 1. Garde-Regiment zu Fuß.
Die große Heeresorganisation des preußischen Heeres in den Jahren 1859/60 durch den Kriegsminister von Roon und die Verdoppelung der Linientruppen erforderte eine hohe Zahl von neuen Unterführern. "In der Erkenntnis, daß das Unteroffizierskorps geistig und charakterlich gestärkt werden müsse, und daß eine Erziehung des militärischen Unterführernachwuchses auf einer Spezialschule gründlicher und eindringlicher erfolgen könne, wurde 1860 die Aufstellung einer zweiten Unteroffizier-Schulabteilung mit Garnison Jülich befohlen.
Der Stamm des Lehr- und Ausbildungskörpers wurde zunächst durch die Potsdamer Abteilung gebildet. Am 29. November 1860 hielten die Zöglinge mit ihren Offizieren und Unteroffizieren im früheren Residenzschloß der Jülicher Herzöge ihren Anzug. Die Uniform war die gleiche wie in Potsdam. Nur wurden hier an Stelle der weißen nun rote Achselklappen getragen. Nach Aufstellung betrug der Etat 1 Kommandeur, 17 Leutnante, 25 Unteroffiziere des Stabes, 37 kommandierte Frontunteroffiziere, 400 Zöglinge, 12 Spielleute, 16 Handwerker und 6 Büchsenmacher. 1864 wurde die Schule um weitere 100 Zöglinge vermehrt und durch 4 weitere Spielleute konnte nunmehr ein eigenes Musikkorps gebildet werden. Die erste Bewährungsprobe der gründlichen Ausbildung der Zöglinge, die seit Oktober 1869 Unteroffizier-Schüler hießen, brachten die Kriege 1866 und 1870, aber auch das Opfer von 48 bzw. 56 gefallenen Füsilieren, neben einer Reihe von Kommandeuren und Offizieren. An äußeren Auszeichnungen erhielten zwei das EK I, 286 das II. Klasse. Zwei wurden zu Offizieren ernannt.
Auf Grund der gemachten guten Erfahrungen waren 1867 bzw. 1869 noch zwei weitere Schulen in Biebrich und Weißenfels gegründet worden. 1871 wurde die in Ettlingen bei Karlsruhe vom badischen
Kriegsministerium aufgestellte Unteroffizier-Schule von Preußen übernommen. Als 1879 noch in Marienwerder eine Neugründung erfolgte, hatte die 1876 auf 576 Füsiliere erhöhte Jülicher Garnison erhebliche Abgaben zu leisten. Als 7. Preußische Unteroffizier-Schule entstand 1901 Treptow an der Riga. Ab 1894 wurde die bisherige dreijährige Ausbildungszeit mit Ausnahme von Biebrich und Marienwerder auf zwei Jahre herabgesetzt.
Von 1825 bis 1870 kamen 5422 Unteroffizier-Schüler zur preußischen Armee. Von den in der Zeit von 1881 bis 1892 zur Front versetzten 10814 früheren Unteroffizier-Schülern haben 90% sich gut bewährt, mehr als ein Drittel war zu Feldwebeln bzw. Zahlmeisteranwärtern befördert worden.
Um die Einheitlichkeit der Schießausbildung zu fördern, erfolgten laufend Kommandierungen des Ausbildungspersonals zur Militärschießschule. Seit 1867 bereits war angestrebt worden, das Lehrpersonal
an der Zentralturnanstalt ausbilden zu lassen. Eine ganz bedeutsame Neuerung brachte das Jahr 1877. Das Kriegsministerium hatte erkannt, daß junge Männer schon vor ihrer militärischen Dienstzeit in der für die Lebensbildung so wichtigen Spanne zwischen Schulentlassung und dem 17. Jahre zusammengefaßt werden müßten. Deshalb wurden Unteroffizier-Vorschulen geschaffen.
Die erste fand Unterkunft in Weilburg. 1880 folgte Annaburg in Erweiterung der alten dort befindlichen militärischen Knabenanstalt.
Die dritte Vorschule wurde 1888 in Neubreisach garnisoniert. 1891 wurde auch in Jülich, neben der Unteroffizier-Schule noch eine Vorschule eröffnet. Weitere entstanden 1894 in Fürstenfeldbruck in Bayern, 1896 in Bartenstein, 1897 in Greifenberg. Die im Königreich Sachsen gegründete fand in Marienberg Aufnahme. Die Unteroffizier-Vorschüler waren keine Militärpersonen. Im Gegensatz zur Unteroffizier-Schule, wo die militärische Vorbildung Hauptaufgabe war, sollte in der Vorschule die für den späteren Soldatenberuf benötigte allgemeine geistige, sittliche Grundlage und die körperliche Leistungsfähigkeit geschaffen werden.
Daneben trat eine gewisse militärische Vorbildung. Nach den Grundbestimmungen vom 31. März 1888 erstreckte sich der Unterricht auf Deutsch, Rechnen, Geschichte, Geographie, Naturkunde, Schönschreiben, Zeichnen, Planzeichnen und Gesang. Zur Aufnahme bedurfte der Vorschüler der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters. Für jeden vollen oder begonnenen Monat des Aufenthalts auf der Vorschule hatte der Schüler zwei Monate, im ganzen höchstens vier Jahre über die gesetzliche Dienstpflicht hinaus aktiv im Heere zu verbleiben. Er erhielt alles zum Lebensunterhalt Notwendige unentgeltlich geliefert. Das Taschengeld von 75 Pfennig im Monat (!) war für Putzzeug und kleine Anschaffungen bestimmt.

Versetzung zur Unteroffizierschule

Nach zwei Jahren Ausbildung erfolgte die Versetzung zur Unteroffizier-Schule. Wie die Kadettenvoranstalten hatten die Unteroffizier- Vorschulen zunächst nur zwei Kompanien. Kamen die Vorschüler zur Schule, so konnten sie bereits nach zwei Jahren Ausbildung zur Front entlassen werden, während beim Landersatz die Versetzung erst nach drei Jahren erfolgte.
Im Jahre 1910, anläßlich ihres 50jährigen Bestehens, verlieh der deutsche Kaiser der Unteroffizier-Schule Jülich, wie es zuvor schon in Potsdam geschehen, eine eigene Fahne. Wie auch von anderen Schulen, nahmen 120 ehemalige Jülicher Füsiliere an den Feldzügen in China und in den afrikanischen Kolonien erfolgreich teil.
Auch nach Ausbruch des 1. Weltkrieges wurde die Ausbildung an den Vorschulen und Schulen fortgesetzt. Im Juli 1916 wurde die Jülicher Schule nach Northeim, die Vorschule in die neu erbaute Kaserne in Biebrich verlegt. Neue Vorschulen entstanden in Ellwangen und in Jena. 1917 erfolgte die Verlegung der letzteren nach Frankenstein und Mölln. In Sachsen wechselte am 1. Juli 1916 die Unteroffizier-Schule Marienberg nach Frankenberg über. Das Lehrprogramm war damals auf die Bereitstellung frontfertigen Unteroffiziersnachwuchses eingestellt. Im Vordergrund stand sehr bald die Schulung für den Stellungs-
krieg.

Unterstellung und Erweiterung unter der Wehrmacht

Was die Unterstellung der Unteroffiziers-Schulen und Unteroffiziers-Vorschulen und die Verantwortung für Verwaltung, Gliederung und Ausbildung und das Besichtigungsrecht anbetrifft seit ihrer Entstehung bis zum Jahre 1918, so waren sie zunächst der 1. Garde-Inf.-Brigade, ab 1873 der Inspektion der Kriegsschulen, die dem Oberbefehlshaber des Heeres unmittelbar unterstanden, unterstellt. Später, a1s sich ihre Aufgaben erweiterten, erhielt diese Dienststelle im O.K.H., auf Generalmajor Frießners Vorschlag, den Namen "Inspektion für Erziehung und Bildung im Heere" (In.E.B.). Sie übte ihre für den Führernachwuchs so verantwortungsreiche Arbeit in Verbindung mit den Waffeninspektionen und der Truppe aus. In voller Erkenntnis der hohen Bedeutung von Spezialschulen für den Unterführernachwuchs
wurden deshalb im "Dritten Reich" nach Wiedereinführung der Allgemeinen Wehrpflicht, neben Kriegsschulen auch die Unteroffiziersschulen nach 17jähriger Pause wieder zum Leben erweckt. Bis 1939 entstanden solche in Frankenstein und Sigmaringen (nach vorübergehendem Aufenthalt auch im Lager Heuberg und in Stuttgart) mit je zwei Kompanien und in Potsdam mit vier Kompanien. Der Ausbruch des Krieges zunächst gegen Polen und dann gegen die westlichen Mächte forderte gebieterisch die Schaffung neuer Schulen, aber auch von Unteroffiziers-Vorschulen. Hier sollten die hier Auszubildenden bis zur Erreichung des militärpfiichtigen Alters für ihre Unteroffiziers- und Unterführer-Aufgaben gründlich vorgebildet werden. Auf geistigem Gebiete sollte die Mittelschulreife erlangt werden. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Technik im modernen Heer, vor allem bei den Panzer- und motorisierten Verbänden, sollten die Schüler auch ein Handwerk erlernen und eine Lehrlingsprüfung ablegen als Mechaniker, Motorenschlosser oder Schreiner. Hierdurch sollte jeder spätere Unteroffizier in der Lage sein, kleine Reparaturen an Waffen, Gerät und Fahrzeugen im Notfall selbst vornehmen oder sie sachgemäß an-
leiten zu können.
Durch Leibesübungen, Geländespiel und Kleinkaliberschießen erfolgte weiterhin eine Vorbereitung für den späteren Beruf. Die gesamte Ausbildung, Lebensunterhalt, ärztliche Überwachung und Versorgung waren kostenlos. So war es nicht zu verwundern, daß viele Eltern ihre Söhne anmeldeten. Die Tatsache, daß wesentlich mehr Anmeldungen vorlagen, als die Schulen aufnehmen konnten, gestattete eine scharfe Auslese zu treffen und dem geistigen Niveau der Vorschulen eine sehr gute Durchschnittsgrundlage zu geben.
Als der Krieg durch den Kampf gegen Rußland eine starke Erweiterung erfuhr und sich immer mehr in die Länge zog, folgten sich die Neuaufstellungen am laufenden Band. So entstanden Vorschulen in Dresden (später Freiberg), Hannover, München (später Neuburg a. d. Donau), Wiener Neustadt (später München), Feldkirch, Deggendorf, Mährisch-Trübau, Ettlingen, Berent (später Kosten), Treskau, Marienberg, Weilburg, Wiesbaden-Biebrich, Naumburg, Freiwaldau (Schlesien), Ravensburg- Weinsberg. 1941 erhielt auch Jülich wieder eine Unteroffiziers-Vorschule. Durch die technische Zusatzausbildung des Jungschützen wurde im Vergleich zu den Schulen bis 1918 die Aufstellung einer 3. technischen Vorschul-Kompanie erforderlich.
Aber auch die Zahl der bei Kriegsbeginn nur drei vorhandenen Unteroffiziers-Schulen wurde vermehrt und stieg immer höher. So sind vieler Unteroffiziersschüler Erinnerungen verbunden mit ihren einstigen Ausbildungsorten in München, Posen, Eutin (Holstein), Lüthen, Bergzabern, Deggendorf, Düren, Jauer (Schlesien), Wetzlar, Kolberg, Striegau (Schlesien), Meseritz, Arnewalde, Marienwerder, Wörgl (Tirol), Neu-Breisach, Roßlau, Zerbel, Jena, Eisenach, Insterburg, Amberg, Weingarten, Mittenwald, Brannenburg. Bei dieser ,großen Zahl war es kein Wunder, daß die Unterbringung, die in alten Schlössern, in nicht benützten fiskalischen Gebäuden, teils auch in Barackenlagern erfolgte, oft spartanisch, preußisch einfach war, im Gegensatz zu den nationalsozialistischen Parteischulen.

Uniform und Bewaffnung

Was die Uniform anbetrifft, so trugen auch die Vorschüler, obwohl sie rechtmäßig noch keine Soldaten waren, die normale Heeresuniform, doch statt der Stiefel Schnürschuhe, als Kopfbedeckung nur eine Feldmütze ("Krätzchen" genannt). Die Schulterklappen waren weiß eingerahmt, mit Ausnahme der Vorschule Feldkirch, die das Grün der Gebirgsjäger trug. Auf den Klappen befanden sich die Buchstaben "U.V." und darunter die römische Ziffer des zuständigen Generalkommandos. Am mittleren Unterärmel befand sich ein Silber gefaßtes grünes Band mit der Aufschrift "Unteroffiziersvorschule." Die Anrede der
Vorschüler war "Jungschütze".
Auf den Unteroffiziers-Schulen entsprachen Uniform und Bewaffnung völlig der des Heeres. Die Schulterklappen trug die Buchstaben "U.S.", darunter den Anfangsbuchstaben der Schulgarnison. Nach einem
halben Jahr Ausbildung wurden die Schüler zu Obergrenadieren ernannt. Damit begann die zweite Phase der Ausbildung, die eigentliche Unteroffizierswaffenschulung. Der Anfangsbuchstabe des Garnisonsortes auf der Schulterklappe verschwand.
Nach einem mindestens einjährigen Besuch einer Heeres-Unteroffizier-Vorschule erfolgte die ein halbes Jahr dauernde Ausbildung an einer Unteroffizierschule. Nach der Grundausbildung an der Unteroffizierschule folgte die Weiterbildung an einer Waffenschule des Heeres von mindestens einhalbjähriger Dauer. Die Absolventen dieser Schulen mußten sich für zwölf Jahre als Berufssoldaten verpflichten.
Auch bei der späteren Verkürzung der Ausbildung legten die Jungschützen und Unteroffiziersschüler Wert darauf, das Sportabzeichen zu erringen und sich, soweit es die örtlichen Verhältnisse gestatteten, "freizuschwimmen".
Ab 1941 folgte auch die Luftwaffe dem Vorbilde des Heeres und schuf unter ihrem Inspekteur, Generalmajor Tschoeltsch, Unteroffiziers-Vorschulen, doch solche mit sechs Kompanien, jede aus Stammpersonal und 200 Schülern bestehend. Ihre Garnisonen waren für U.S. 1 Schloß Hubertusburg b. Wermsdorf / Amtshauptmannschaft Oschatz, für U.S.2 Stetten bei Stuttgart, für U.S. 3 Schloß Werneck bei Würzburg und für U.S. 4 Neu-Sandez im Generalgouvernement.
Wie sich die In.E.B. des Heeres den in ihren Schulen erzogenen künftigen Unteroffizier vorstellte, geht aus einer Denkschrift des Inspekteurs, General Frießner, hervor: " Unser Streben ist, den neuen Unteroffizier vor allem mit der Kunst vernünftiger Menschenbehandlung und richtiger Menschenführung vertraut zu machen. Einwandfreie Lebensführung, beispielhaftes Fachkönnen werden zum Grundsatz erhoben. Überheblichkeit, Machtanmaßung sowie Kasernenhofentgleisungen, welche oft zu abfälliger Kritik Anlaß gegeben haben, werden nicht geduldet, sondern sollen schwer geahndet werden.
Es sollen hier Unteroffiziere herangebildet werden, die nichts mit Leuteschinderei oder sogenannten 08/15-Typen gemeinsam haben. Schon im Hinblick darauf, daß aus ihren Reihen später auch brauchbare Truppen-Unteroffiziere entwickelt werden sollen, betrachten wir wir diese Erziehungsaufgaben als einen wichtigen Beitrag im allgemeinen Staatsinteresse.

Möglichkeit zum Abitur

Im Hinblick auf diese hohen Aufgaben wurde besonderer Wert darauf gelegt, daß durch stete enge Fühlungnahme mit dem Personalamt nur gut qualifizierte Offiziere und Unteroffiziere, die sich vor dem Feinde bewährt hatten und reich an Kriegserfahrung, jedoch bis auf weiteres nicht k.v. waren, als Lehrpersonal zu den Schulen kommandiert wurden. Auch als Zivillehrer den Vorschulen wurden fast ausschließlich Reserveoffiziere des 1. Weltkrieges verwandt.