Reserve-Lazarett Michelfeld (Oberpfalz)

 

Für verwundete Soldaten brauchte man im Krieg immer mehr Krankenhäuser. Also beschlagnahmte die Regierung im September 1941 die Behinderteneinrichtung für die Wehrmacht. Deshalb mussten die Bewohnerinnen weg. Kurz nach der Einstellung der „Aktion T4“ im Jahr 1941 wurde die Anstalt Michelfeld in ein Lazarett der Wehrmacht umgewandelt. Am 4. September 1941 kamen deshalb zwei Generalstabsärzte, um die zukünftigen Räumlichkeiten zu begutachten, in denen für 350 verwundete Soldaten Platz geschaffen werden sollte. Die Anstaltsleitung schrieb zahlreiche Briefe an Angehörige, in denen gebeten wurde, das behinderte Familienmitglied heimzuholen. Gleichzeitig wurde den Frauen, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits zuhause befanden, mitgeteilt, dass sie wegen der Auflösung der Anstalt nicht zurückkehren konnten. Da die Heil- und Pflegeanstalt Erlangen bereits voll belegt war, kamen für die Verlegung der Michelfelder Patientinnen nur die Heil- und Pflegeanstalt Regensburg sowie das Haus der St. Josefskongregation Ursberg in Frage. Am 28. September 1941 wurden die meisten der Bewohnerinnen nach Regensburg in die Heil- und Pflegeanstalt gebracht. Nur ca. 100 Bewohnerinnen mit leichteren Behinderungen, vor allem gehörlose Frauen, konnten in Michelfeld bleiben. Sie konnten in der Landwirtschaft oder im Lazarettbetrieb mitarbeiten. Am 1. Oktober wurden noch einmal 50 Patientinnen nach Ursberg gebracht. Von den 233 nach Regensburg transportierten Frauen haben 155 die Kriegsjahre nicht überlebt. Es gibt Schätzungen, dass deutschlandweit über 200.000 Menschen der „dezentralen Euthanasie“ zum Opfer fielen

Die Schließung der Anstalt für behinderte Frauen und die Umwandlung in ein Lazarett führte zu großer Aufregung innerhalb der Einrichtung. Bis auf wenige arbeitsfähige Bewohnerinnen mussten die meisten Frauen die Anstalt verlassen. Sofort nach dem Abtransport wurden die Räume für den Lazarettbetrieb hergerichtet. Unter anderem wurden der große Arbeitssaal und das Schreibzimmer der Oberin dem künftigen Krankenhausbetrieb zugeschlagen. Die Schwestern mussten von Seiten der Anstalt für den Lazarettbetrieb 200 Betten bereitstellen. Weitere 150 Betten sowie Leibwäsche und Geschirr erhielt man von der Heeresverwaltung in Bayreuth. Es wurden drei Krankenstationen eingerichtet. Am 12. Oktober 1941 trafen die ersten 18 Sanitäter in Michelfeld ein. Bereits am Abend des 15. Oktobers folgten die ersten 82 Verwundeten. Die Zahl der verletzten Soldaten stieg rasch. Schon am 30. Oktober 1941 trafen wieder 80 neue Patienten ein. Am 7. November 1941 kamen weitere 140 Personen an, sowie im Laufe des Dezembers bis Jahresende 210 Männer. Die Belegungssituation und auch die Verwundungen der Soldaten waren sehr unterschiedlich. Während zunehmend auch Frontkämpfer versorgt wurden, war das Lazarett ab Juni 1942 vor allem für nierenkranke Soldaten zuständig. Die Michelfelder Schwestern wurden in den Lazarettbetrieb zum Beispiel durch die Pflege der Kranken, für Kammerdienste oder als Schreibkräfte eingebunden. Aus den Jahresberichten erfahren wir, dass das Leben mit dem Lazarett zu Schwierigkeiten im Alltag der Schwestern und verbliebenen Bewohnerinnen führte. So wird von „Unannehmlichkeiten beim Essentragen und Kirchengehen“ berichtet. Anfang 1945 umfasste die Höchstbelegung des Lazaretts in Michelfeld 530 Betten. Die Situation muss extrem beengt gewesen sein. Die Lazarettküche musste zu dieser Zeit täglich für 700 Personen Essen bereitstellen. Mit dem Einmarsch der US-Amerikaner im April 1945 in Michelfeld wurde das Lazarett in eine Kriegsgefangenenanstalt für die Verwundeten umgewandelt. Die gefangenen Soldaten hatten sofort alle Habseligkeiten bis hin zu Bleistiften und Büchern abzugeben. Auch Besuch durfte nicht mehr empfangen werden.

Der Abbau des Lazaretts begann am 21. Mai 1945. Zunächst wurden 145 Gefangene nach Bernreuth verlegt. Kurz darauf wurden am 26. Mai alle lungenkranken Soldaten in das Krankenhaus nach Pressath gebracht. Am 14. Juni 1945 fand der letzte Transport von Kriegsgefangenen statt. Alle Gefangenen, auch schwer- und todkranke Männer, wurden an diesem Tag nach Weiden verlegt. Nach der Auflösung des Lazaretts und Kriegsgefangenenlagers begannen die Schwestern mit dem Wiederaufbau der Anstalt für behinderte Frauen.