Infanterie-Regiment 284
Aufgestellt am 22. September 1939 als Regiment der 5. Welle auf dem Truppenübungsplatz Bergen aus Personaleinheiten des Wehrkreises VI. Das Regiment unterstand der 96. Infanterie-Division und wurde von August 1940 bis Februar 1941 beurlaubt. Am 3. März 1941 erhielt das Regiment statt der bisherigen 13. Granatwerfer-Kompanien Infanterie-Geschütz-Kompanien. 1942 wurde das I. Bataillon aufgelöst. Am 15. Oktober 1942 in Grenadier-Regiment 284 umbenannt.
Bericht über den Einsatz des III./284 als Wachbataillon OKH
unter Berücksichtigung der gleichzeitigen Versammlung der Division im Raum
Arys-Lyck Ende Juni/Anfang Juli 1941
Als erster Verband der Division hatte das in Sedan und den benachbarten Ardennendörfern
liegende III./284 den Besatzungsraum verlassen. Am 24. Mai war der Vorbefehl für die
Verladung gekommen, am gleichen Tage, an dem die "Bismarck" das britische
Schlachtschiff "Hood" versenkte. Der neue Einsatzort und Verwendungszweck war
streng geheim gehalten und unbedingte Postdisziplin mit verschärfter Zensur befohlen
worden. Da der Balkanfeldzug im vollen Gange war, vermutete die Truppe Einsatz auf Kreta
oder Verwendung bei einer hohen Führungsstelle. Am 29. marschierten die Kompanien, in
Balan von der Regimentsmusik eingeholt, an der alten Zitadelle von Sedan vorbei nach dem
Bahnhof, von wo in der Nacht das Btl. in 2 Transportzügen Frankreich in Richtung Aachen
verließ. Über Rosslau fuhr es am 31., als Kreta kapitulierte, in Schlesien ein und
erreichte in den Abendstunden das fast unverdunkelte Breslau. Am Pfingstsonntag stellte
sich nach einer Fahrt quer durch Polen erst in Deblin heraus, dass in Sachsen die
Zugnummern mit der abzulösenden Truppe verwechselt worden waren. 2 Tage später erst
wurde das Btl. morgens früh im märkischen Städtchen Zossen bei Berlin ausgeladen und in
den nächsten Tagen in seine neuen Aufgaben als Wachbataillon beim OKH eingewiesen.
Am 5. Juni erfolgte dort die Begrüßung durch den Kommandanten des Hauptquartiers,
Generalmajor Scheerer, den späteren erfolgreichen Verteidiger von Cholm, dessen Regiment
die 284-er im Frankreichfeldzug im Verbande der Armee Strauss gefolgt waren. Nach der
Ansprache erfolgte der Vorbeimarsch und am 16. Juni abends die Vergatterung und erstes
Aufziehen der Wache im täglichen
Wechsel von einer Schützenkompanie verstärkt durch einen Zug der MGK. Auftrag war die
Sicherung des Hauptquartiers, des Nervenzentrums des Heeres, das damals noch unter dem
Oberbefehl des Generalfeldmarschalls von Brauchitsch stand. Ihm als zweithöchstem Wachvorgesetzten
und seinem Generalstabschef erwiesen die Wachen und Posten täglich die Ehrenbezeigungen
wie auch zahlreichen hohen ausländischen Gästen, welche in jener Zeit besonders häufig
von der nahen Reichshauptstadt zu Besprechungen ins HQ kamen, darunter auch der Monarch
des befreundeten Bulgarien, König Boris. Bekannte Heer- und Armeeführer, die höchsten
Spitzen der Generalität und Experten aus allen Sparten des Generalstabes gingen in den
gewittergeladenen Tagen des Juni in Zossen beim Lager "Zeppelin" I und II (wo
auch das HQ im letzten Kriegsjahr wieder war) ein und aus. Dennoch erfuhr das Btl. den
Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion am 22. Juni auch erst durch den Rundfunk. Die
Begleitkommandos "Afrika" und "Europa", Tarnbezeichnungen für die
stets fahrbereiten Sonderzüge des Oberbefehlshabers und des Generalstabschefs, meldeten
sich ab. Mit ihnen fuhren die Vorkommandos für die Verlegung ins Feldquartier Heer bei
Angerburg in Ostpreußen, von wo aus die Operationen des deutschen Ostheeres nunmehr
geleitet werden sollten.
Der lange vorbereitete Befehl für die Verlegung am Tage X + 4 war ergangen, die
Maschinerie der militärischen Organisation lief wie ein Uhrwerk. Am 26. erfolgte mittags
die Ablösung durch Landesschützen und abends Abfahrt durch Brandenburg nach Preußen,
vorbei an den trutzigen Mauem der Marienburg, dem Symbol des deutschen Ostens.
Zur gleichen Zeit rollten auch die Transportzüge der Division aus Frankreich heran.
Marschierende Truppen, Brückenschutz, Flak ließen spürbar werden, daß über Preußen
und allen deutschen Landen der Atem des Krieges lag, ein Torward aufgestoßen für einen
Tag, über dessen Ende nach den Worten des Staatsoberhauptes das Dunkel der Ungewißheit
lag.
Ein heftiger Regen mit der Urgewalt einer Naturkatastrophe war niedergegangen, der die
Bahnstrecken, auf denen die Truppe rollte, unterspülte -- gleich einem bösen, aber
damals noch nicht bewußten schrecklichen Omen -- und unvorhergesehenen Aufenthalt
verursachte. In der Morgenfrühe des 28. Juni wurde das Btl. Kaumann in Angerburg
ausgeladen und ging nördlich des Mauersees im Fußmarsch nach Engelstein, wo der
Btl.-Gefechtsstand eingerichtet wurde. Die Kompanien zogen zuerst in umliegende
Ausweichquartiere bis zur Ablösung der alten Truppe und bezogen dann die ihnen
zugewiesenen Sicherungsposten und Unterkünfte, im hügeligen Gelände barg der Mauerwald
als ein Geheimnis höchster deutscher Führung das Feld-Quartier des Heeres, in der
Tarnbezeichnung als Fritz und Quelle geführt, an der Ostseite durch den Mauersee
begrenzt, auf der anderen durch einen breiten Wasserlauf. Hier vollzog sich jahrelang die
Arbeit höchster Stäbe in weit auseinanderliegenden Bunkern, die bis zu 7 und 8 m aus der
Erde ragten und aus 3 bis 4 m dicken Wänden und Decken bestanden, dazwischen einzelne
leichte barackenähnliche Häuser.
Erst im Herbst 1944 wurden sie wie die anderen benachbarten Hauptquartiere von Pionieren
gesprengt. Im weiten Kreis sicherte das III./284 mit Schützengruppen verstärkt durch sMG
und mGrW, gingen Spähtrupps und Streifen am Sicherungsgürtel des Waldlagers. Auf der
Insel Upalten sicherte eine Schützengruppe die Seeseite und eine andere vom Fuchsberg bei
dem Gut Staken, wo es in der Winterschlacht in Masuren 1915 und vorher zu verlustreichen
Kämpfen gekommen war, das Vorgelände und den Luftraum gegen etwaigen Einfall von
Fallschirmjägern. Weit ging der Blick von hier über
blutgetränkte, geheiligte Erde Ostpreußens, über Hügel, Wälder und Seen des
schwermütig-herben Masuren, wie es an Schönheit dieser Art keine andere Deutsche
Landschaft mehr geben mag.
Die im strengen Wachdienst angewandte Aufmerksamkeit bewährte sich, nachdem am 2. Juli
auf Upalten 2 Offiziere des OKH durch Mine oder Bombe zunächst unbekannter Herkunft
getötet worden waren und am 11. von Streifenposten 2 Polen aufgegriffen wurden.
Ungestört davon vollzog sich die Arbeit des HQ, wohin zwischendurch, auch am Geburtstag
des Generalstabschefs, der Oberste Befehlshaber, ernst und blaß, aus der Wolfsschanze,
dem Führerhauptquartier, bei der nahen Festung Lötzen zu Besprechungen mit
Generalfeldmarschall von Brauchitsch und Generaloberst Halder herüberkam. In der
Zwischenzeit hatte sich die Division ostwärts des Spirdingsees im Raum von Wrys und Lyck
versammelt. In den weiten Forsten nahe der polnischen Grenze, wo der Elch noch Herr im
Revier ist und manchmal auch noch der Wolf an menschlichen Behausungen
vorüberstreicht" stellten sich die Truppen der 96. Infanterie-Division für den
Vormarsch nach Rußland bereit. Über Sudauen überschritten sie Anfang Juli die
Reichsgrenze, um in Tagesmärschen von 40 und 50 Kilometern durch Litauen über Wilna nach
Osten zu marschieren.
Das III./284, das der Division nachgeführt werden sollte, wurde am 13. Juli von einem
Infanterie-Bataillon aus der Ostfront abgelöst, um am 14. morgens, nachdem der bespannte
Troß schon voraus war, im Lkw-Marsch über Goldap-Gumbinnen-Eydtkau-Kauen - von der
Bevölkerung freundlich begrüßt - bei Wilna an die Vormarschstraße der Division
gebracht zu werden, der es durch Weißruthenien über Dissna im Fußmarsch folgte. Erst in
Rußland, am 29. Juli, erreichte es die Masse der Division und wurde von Oberstlt. von
Chappuis und bald darauf vom Divisionskommandeur begrüßt.
Der Oberbefehlshaber und der Generalstabschef des Heeres hatten Oberstleutnant Kaumann
ihre besondere Anerkennung für Leistung und Haltung seines Bataillons ausgesprachen, das
wie ein aktives Friedensbataillon vorbildlich seine Aufgaben gelöst hatte und sich
später noch mehrfach bewähren sollte.
General Schede und der RgtsKdr. sagten dem Btl. ihren Dank.
Von Horst Voigt
mit freundlicher Genehmigung von Johannes Marwede, Vorsitzender der Kameradschaft der 96.
Infanterie-Division