Alarmeinheiten des Ersatzheeres

Um im Falle innerer Unruhen oder im Falle feindlicher Luftlandungen schnell über einsatzfähige Truppen verfügen zu können, wurden seit 1941 Vorbereitungen zu einer teilweisen Mobilmachung des Ersatzheeres getroffen. Hierzu wurden die Stellenbesetzungen und die Stärke der Mob-Einheiten in Mob-Kalendern geplant, auch die Ausgabe von Waffen, Munition und Gerät waren festgelegt. Die Auslösung der Mobilmachung erfolgte dann anhand eines Stichwortes. Da ab Herbst 1941 durch die großen und andauernden Verluste an der Ostfront das normale "Ersatzsystem" überlastet war, wurden die unter verschiedenen Stichworten vorbereiteten Mob.-Aufstellungen von Ersatz-Einheiten immer öfter genutzt, um ganz kurzfristig einsatzbereite Kampfeinheiten
an die Front zu schicken. Dabei konnte es sich um ganze Divisionen, einzelne Regimenter oder auch um Kampfgruppen handeln.

Stichworte "Sedan" und "Dünkirchen": Am 13. April 1941 wurde durch das unerwartete Eingreifen Jugoslawiens die Stichworte "Sedan" und "Dünkirchen" ausgegeben. Daraufhin wurden bis zum 1. Mai 1941 die 15. Infanterie-Divisionen der 15. Welle für Besatzungszwecke aufgestellt. Dies erfolgte kompanieweise aus allen Ersatz-Bataillonen der Wehrkreise. Die ersten beiden Divisionen sollten am 1. Mai, die übrigen am 15. Mai verwendungsbereit sein. Die Divisionen wurden auf dem Balkan, in Norwegen und im Westen zu Besatzungsaufgaben eingesetzt.

Stichworte "Belgrad" und "Athen": Die Aufstellung der für die 201. - 204. Infanterie-Brigade vorgesehenen 12 Regimenter begann am 15. Juni 1941 mit Ausgabe der Stichwörter "Belgrad" und "Athen". In der Regel stellte jeder Wehrkreis ein Regiment auf, die Wehrkreise IX, X und XVIII nur je ein Bataillon. Das Regiment des Wehrkreises VIII wurde im Wehrkreis XII mit aufgestellt, das Infanterie-Regiment 607 im Protektorat, da hier die Ersatztruppenteile lagen.

Stichwort "Walküre": Das Stichwort "Walküre" war für die schnelle Aufstellung von einsatzfähigen Verbänden aus dem Ersatzheer für den Fall innerer Unruhen in der Heimat oder den besetzten Gebieten. vorgesehen. Nach dem beginn der russischen Winteroffensive 1941/42 wurde das Stichwort am 15. Dezember 1941 ausgegeben und führte zur Aufstellung der vier Divisionen der 17. Welle. Diese wurden anschließend umgehend an die Ostfront verlegt.

Stichwort "Rheingold": Ausgelöst wurde die Aufstellung der 15 Regimenter der 18. Welle (je ein verstärktes Regiment pro Wehrkreis) am 15. Januar 1942 als Schnellzuführung für die bedrängte Ostfront. Die Aufstellung sollte am 1. Februar 1942 abgeschlossen sein.

Stichwort "Walküre II": Der Aufruf von "Walküre II" erfolgte am 8. Juni 1942 zum Schutz der Kanalküste und führte zur Bildung der drei Divisionen der 20. Welle.

Stichwort "Kriemhilde": Aufgerufen im November 1942 führte das Aufrufen von "Kriemhilde" zur Bildung von drei Divisionen zur Besetzung Südfrankreichs nach der Landung der Alliierten in Tunesien. Eine der Divisionen wurde nach Nordafrika überführt.

Stichwort "Brunhilde" und "Gisela": Aufgerufen im Mai 1943. Es wurden drei Divisionen durch die in Frankreich liegenden Reserve-Divisionen zur Sicherung Südfrankreichs nach dem alliierten Sieg in Nordafrika aufgestellt.

Stichwort "Walküre III": Am 3. November 1943 wurde die Aufstellung der 1. Welle des Ersatzheeres mit sechs verstärkten Grenadier-Regimentern 1021 - 1026 befohlen. Sie sollten nach der Verfügung vom 9. Januar 1944 zur Bildung von sechs zweigleisigen Divisionen der 25. Welle dienen. Die mit Befehl vom 28. November 1943 aufgerufene 2. Welle des Ersatzheeres zählte fünf Regimenter, davon blieben die motorisierten Regimenter 1029 Großdeutschland, 1030 Feldherrnhalle und 1031 zur Verfügung des OKW, während die Regimenter 1032 und 1033 nach kurzem Bestehen ebenfalls zur Aufstellung der 25. Welle verwandt wurden.

Stichwort "Walküre IV": Bei dem sich abzeichnenden Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte im Juni 1944 wurden noch einmal die "Walküre"-Einheiten aufgerufen, deren Aufstellung vom 30. Juni 1944 begann und die bis zum 3. Juli 1944 vollendet sein musste. Die sechs Grenadier-Regimenter 1065 - 1070 stellte jeder Wehrkreis je ein Bataillon auf. Die Grenadier-Regimenter 1065 und 1067 hatten nur zwei, die anderen drei Bataillone.

Die Walküre-Vorschriften wurden ab 1942 noch mehrfach überarbeitet. Sie sahen dann Aufrufe in unterschiedlichem Umfang in 3 Stufen vor:
Die erste Stufe betraf die Aufstellung von lokalen Alarm-Einheiten, die zweite Stufe die Zusammenstellung von Kampfgruppen aus Walküre-Einheiten innerhalb eines Wehrkreises und die dritte Stufe die Aufstellung von ganzen Divisionen.
Nach der Aufspaltung der Ersatzeinheiten und der damit verbundenen Verlegung der meisten Ausbildungs-Einheiten in die besetzten Gebiete im September 1942, wurde für den Fall der Aufstellung ganzer Divisionen zwei neue Stichworte ausgegeben :
Die Aufstellung von ganzen Divisionen aus Ersatzeinheiten innerhalb des Reichsgebiets erfolgte auf das Stichwort "Kriemhilde". Die Aufstellung von Divisionen aus Ausbildungs-Einheiten, die sich in den besetzten Gebieten befanden, erfolgte auf das Stichwort "Brunhilde".

Das Verfahren zum kurzfristigen Aufruf von einsatzfähigen Kampfeinheiten aus den Einheiten des Ersatzheeres unter dem Stichwort "Walküre" hat auch deshalb einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht, weil es von den Verschwörern um Graf Stauffenberg am 20. Juli nach dem Attentat gegen Hitler benutzt wurde. Deshalb wurde in der zweiten Hälfte 1944 das Stichwort "Walküre" durch das Stichwort "Gneisenau" ersetzt. Im Wehrkreis VI erfolgte dieser Wechsel bereits im September, in anderen Wehrkreisen erfolgte noch bis Ende des Jahres der Aufruf von Alarm-Einheiten des Ersatzheeres unter dem Stichwort "Walküre". Erst ab Anfang 1945 wurde nur noch das Stichwort "Gneisenau" verwendet.

Stichwort "Brunhilde II": Zusammen mit dem Stichwort "Walküre IV" wurde zum zweiten Mal das Stichwort "Brunhilde" ausgegeben. Daraufhin wurden im Generalgouvernement die Grenadier-Regimenter 1071 und 1072 aufgestellt.

Stichwort "Gneisenau": Für "Gneisenau" wurden "Kampfgruppen" in sehr unterschiedlicher Stärke (meist 2 - 4 Kompanien) gebildet, die innerhalb des Wehrkreises durchgezählt wurden, gleichgültig, ob es sich um Aufstellungen von Schulen, Grenadier-Ersatz-Bataillonen, Landesschützen, Panzern, Panzerjägern, Pioniere usw handelte (z.B. im Wehrkreis XVII die Kampfgruppen 1-28/XVII sowie 51-54/XVII für Artillerie). Einzelne Kampfgruppen wurden von vornherein als frontverwendungsfähig bezeichnet.

Stichwort "Blücher": Auch bei "Blücher" wurden "Kampfgruppen" in unterschiedlicher Stärke gebildet, aber im Gegensatz zu "Gneisenau" nicht aus Ersatzeinheiten, sondern aus Einheiten des Feldheeres, die sich zur Aufstellung oder Umgliederung im Heimatgebiet befand, sowie für in Aufstellung befindliche Marsch-Bataillone und Genesenen-Marsch-Kompanien und schließlich für sämtliche Urlauber und Durchreisende.

Stichwort "Gneisenau" im Westen: Nach Beginn des alliierten Unternehmens "Market Garden" am 17. September 1944 wurde für den Wehrkreis VI das Stichwort "Gneisenau" ausgegeben, der damit seine gesamten Kräfte anspannte, nachdem schon vorher die 176. Division mit 10 Bataillonen am Albertkanal eingesetzt worden war, dann die 406. Division und jetzt mit "Gneisenau"-Einheiten auch die 526. Division.
Vom Wehrkreis X wurden auf das Stichwort "Alarm Küste" die Divisionen 180 und 190 an den Niederrhein geworfen. Die in der 190. Division besonders zahlreich enthaltenen Panzergrenadier-Verbände wurden später zur Neuaufstellung von Panzer-Divisionen wieder herausgezogen.
Im Wehrkreis XII waren bei Metz drei Bataillone der Kriegsschule, zwei Bataillone der SS-Nachrichtenschule und zwei Bataillone des Unterführer-Lehrgangs XII eingesetzt. Sie dienten zur Bildung der 462. Division, die in Metz vernichtet wurde. Die 172. Division wurde als Reserve-Division am Westwall eingesetzt, aber bald auf die im Vorfeld kämpfenden Frontdivisionen verteilt. Der alliierte Einbruch in das Nordelsaß in der zweiten Novemberhälfte löste am 19. November 1944 im Wehrkreis V die Stichworte "Gneisenau" und "Blücher" aus. Unterstützung kam auch aus den Wehrkreisen VII und XIII.
Im Wehrkreis V wurden im September 1944 die Kampfgruppen A/V - D/V zu je drei Bataillonen aufgestellt und am 3. November 1944 in Front-Divisionen eingegliedert worden. Im November 1944 wurden die Grenadier-Regimenter G/V und K/V mit sechs Kompanien aufgestellt, dazu die Kampfgruppen-Regiments-Stäbe L/V - P/V, vier Bataillone (I, IV, V, VI), die als Grenadier-Bataillone V, von 14 Bataillonen, die als I.-XIV. / Grenadier-Bataillon E/V und zwei Bataillone, die als I. und II./P/V bezeichnet wurden. Diese Alarmeinheiten ginge alle in Fronteinheiten auf. Vom Wehrkreis XIII kamen die Kampfgruppen 1/XIII und 2/XIII mit je sechs Kompanien und einer Batterie zur Unterstützung.
Im Januar 1945 wurden die Grenadier-Regimenter "Oberrhein" 1 - 15 als Regimentsstäbe aufgestellt, die zur Führung der Zollgrenzschutz-Bataillone Oberrhein I-XIV und der badischen Volkssturmbataillone I-XXII bestimmt waren und in den Divisionen 805 und 905 sowie in der Brigade 1005 zusammengefasst wurden.
Stichwort "Gneisenau" im Osten: Durch den Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte im Juni / Juli 1944 hatte der Wehrkreis I innerhalb von acht Tagen die Divisionen "Ostpreußen 2" und "Ostpreußen 2" aufzustellen, was die Ersatztruppenteile derart auskämmte, dass es zu keinen "Gneisenau"-Aufstellungen mehr kam. Im Gegenteil, der Wehrkreis X musste die Ersatzgestellung des Wehrkreises I zusätzlich übernehmen. Auch die Wehrkreise XX und XXI stellten infolge des schnellen Einbruchs der Roten Armee im Januar 1945 zu keinem geschlossenen Einsatz von "Gneisenau"-Einheiten mehr. Die Ersatzeinheiten wurden meist bei der Verteidigung ihrer Standorte aufgerieben. In Pommern kam es zur Aufstellung der Division "Märkisch-Friedland" mit den Fähnrichs-Regimentern 1 - 4 aus der Schule für Fahnenjunker der Artillerie in Groß-Born, der Division "Bärwalde" und der Einsatz-Divisionen "Köslin", "Deutsch-Krone" und "Woldenberg". Im Wehrkreis III wurden nach dem Stichwort "Gneisenau" noch insgesamt 32 Bataillone aufgestellt, die im Rahmen der Divisionen 433 und 463 im Warthegau eingesetzt und dort aufgerieben wurden. Die Reste gingen in der Division Raegener auf. Im Wehrkreis IV wurden nach Ausgabe des Stichwortes "Gneisenau" 31 Kampfgruppen in Stärke von jeweils 1 - 8 Kompanien aufgestellt, die zur Wiederaufstellung der Divisionen der Heeresgruppe Mitte verwandt wurden. Im Wehrkreis VIII wurden 16 Kampfgruppen aufgestellt, außerdem vier Regimenter, die im Raum Breslau zum Einsatz kamen. Auch die vom russischen Angriff noch nicht betroffenen Wehrkreise XIII, VII, XVII und XVIII stellten mehrere "Gneisenau"-Einheiten für die Ostfront auf. Die Kampfgruppen wurden meist bei Eintreffen an der Front aufgelöst und in bestehende Frontdivisionen eingegliedert.

Stichwort "Leuthen" (bzw. Gotenbewegung: "Westgoten" und "Ostgoten"): Die Ausgabe des Stichwortes "Leuthen" bedeutete die allerletzte Mobilmachung des Ersatzheeres. Diese wurde unter dem Namen "Westgoten- und Ostgotenbewegung" (für die West- und Ostfront) am 26. März 1945 ausgelöst. Dabei wurden alle noch vorhandenen Heimatkräfte an die Front geworfen. Bei den Panzertruppen-Ausbildungseinheiten des Ersatzheeres wurden sieben Panzer-Ausbildungsverbände aufgestellt (Panzer-Ausbildungsverband Ostsee, Böhmen, Donau, Thüringen, Westfalen, Franken, Großdeutschland), dazu der Panzer-Auffrischungsverband Krampnitz (für die 7. Panzer-Division).