Militärbefehlshaber Frankreich

 

1. Einsatz und Unterstellung:

Am 13. Juni 1940 befahl das OKH den Aufbau einer Verwaltung im besetzten nordfranzösischen Gebiet, ausgenommen den Departements Nord und Pas-de-Calais unter Generaloberst Blaskowitz. Blaskowitz stellte nun als "Militärbefehlshaber in Frankreich" einen Kommandostab unter dem bisherigen Oberquartiermeister der Heeresgruppe A, Generalmajor Auleb, und einen Verwaltungsstab unter Staatssekretär, jetzt Kriegsverwaltungschef Posse zusammen, wobei letzterer seine Stellung als Wirtschaftsbevollmächtigter beim OKH beibehielt. Der Militärbefehlshaber hatte den Rang und die Befugnisse eines Armeeoberbefehlshabers und unterstand dem Oberbefehlshaber des Heeres unmittelbar. Er übte im rückwärtigen Heeresgebiet die vollziehende Gewalt aus, befehligte alle in seinem Gebiet vorhandenen Besatzungstruppen, welche territorial noch den Armeen unterstellt blieben, und er sollte in seinem Bereich so bald wie möglich für geordnete Verhältnisse sorgen. Am 17. Juni übernahm Blaskowitz den Befehl über das besetzte Gebiet von der West- und Südgrenze der Departements Nord und Pas-de-Calais bis zur rückwärtigen Grenze der Armeegebiete, die entlang der Seine von Le Havre bis Rouen - Pont de lÀrche - Gournay en Bray - Gisors - Senlis - Charly, entlang der Marne bis St. Dizier verlief. Am 19. udn 20. Juni verlegte der Militärbefehlshaber sein Hauptquartier von Lille nach Compiègne, wo er bis zur Auflösung seiner Dienststelle Ende Juni blieb.
Für den Großraum Paris war von Anfang an eine Sonderregelung vorgesehen. Die Stadt erhielt mit General der Artillerie von Vollard-Bockelberg einen eigenen Militärbefehlshaber. Zu seinem Chef des Stabes wurde Oberstleutnant i.G. Dr. Speidel bestimmt. Nach dem Fall von Paris am 14. Juni 1940 übernahm von Vollard-Bockelberg am nächsten Tag die vollziehende Gewat von Paris und den Departements Seine, Seine-et-Marne und Seine-et-Oise. Von Vollard-Bockelberg baute bach den Weisungen der Heeresgruppe B die Militärverwaltung von Paris auf, bis er am 20. Juni 1940 dem Oberbefehlshabers des Heeres unmittelbar unterstellt wurde. Wie Blaskowitz hatte er und Befugnisse eines Armeeoberbefehlshabers. Auch die Aufgaben waren die selben. Bei Abschluss des Waffenstillstandes gab es somit in Frankreich zei Militärbefehlshaber mit ihren Stäben, die erst einen Teil des besetzten Gebietes verwalteten. Es galt daher, für die Besetzung Frankreichs eine dauerhafte Lösung zu finden. Generaloberst Blaskowitz wurde Ende Juni 1940 abberufenund sein Stab ging zum großen Teil in dem des Chefs der Militärverwaltung in Frankreich auf. Von Vollard-Bockelberg behielt das militärische Kommando in seinem Bereich noch bis Ende Juli 1940, um dann von einem neuen Stadtkommandanten abgelöst zu werden. Als neue Dienststelle wurde am 30. Juni1 940 General der Infanterie Streccius zum Chef der Militärverwaltung in Frankreich ernannt. Dieser wurde am 16. Oktober 1940 durch General der Infanterie von Stülpnagel ersetzt. Ihm unterstand das gesamte besetzte Frankreich mit Ausnahme der Departements Pas-de-Calais und Nord Am 20. Februar 1942 wurde der erfolglose General der Infanterie Otto von Stülpnagel, der auch die Erschießung von französischen Geiseln zu verantworten hatte, durch General der Infanterie Carl-Heinrich von Stülpnagel ersetzt. Dieser war Mitglied des militärischen Widerstandes gegen Hitler und ließ am 20. Juli 1944 die Angehörigen der Pariser SS-Dienststellen durch seine Truppen verhaften. Vergebens versuchte er, den OB West, Generalfeldmarschall von Kluge, zur Beteiligung am Umsturz zu beteiligen. Dieser ließ ihn am gleichen Tag noch beurteilen. Von Stülpnagel wurde am nächsten Tag zur Berichterstattung ins Führerhauptquartier befohlen. Auf dem Weg dorthin versuchte er vergebens, sich das Leben zu nehmen und erbildete dabei. Er waurde am 30. August 1944 zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Nach der Beurlaubung von Stülpnagels führte der Chef des Generalstabes des OB West, Generalleutnant von Blumentritt, die Geschäfte des Militärbefehlshabers weiter. Am 22. Juli 1944 wurde General der Flieger Kitzinger, der frühere Wehrmachtsbefehlshaber in der Ukraine zum neuen Militärbefehlshaber in Frankreich ernannt. Er trat am 18. August 1944 mit seinen Stäben nach kurzem Halt in Ostfrankreich den Rückzug nach Deutschland an. Am 4. Oktober 1944 wurde der Stab nach der Räumung Frankreichs aufgelöst.

Der Schwerpunkt der Aufgaben des Militärbefehlshabers lag weniger auf militärischem Gebiet (z. B. Abwehr feindlicher Landungsversuche, Küstensicherung) als vielmehr auf dem der Verwaltung und Wirtschaft. Der Militärbefehlshaber unterstand dem ObdH unmittelbar und hatte nach den Weisungen des Generalquartiermeisters die Militärverwaltung zu leiten, worin auch seine wichtigste Aufgabe bestand. Als Inhaber der vollziehenden Gewalt konnte auf dem Wege von Verordnungen Recht setzen und war oberster Gerichtsherr über die Zivilbevölkerung, soweit sie gegen die von ihm erlassenen Verordnungen verstieß und damitvon deutschen Wehr,achtgerichten abgeurteilt werden konnte. Ihm oblag die Aufsicht über die französische Verwaltung, wobei ihm das Recht eingeräumt wurde, auch mit den Zentralbehörden des unbesetzten Gebietes in Verhandlungen zu treten, wenn es die Durchführung seiner weiteren Aufgaben erforderte. Nach der deutschen Besetzung Südfrankreichs 1942 nahm der Deutsche General beim Oberbefehlshaber West in Vichy die militärischen Belange wahr.

 

2. Militärbefehlshaber:

16. Oktober 1940: General der Infanterie Otto von Stülpnagel

20. Februar 1942: General der Infanterie Carl-Heinrich von Stülpnagel

21. Juni Generalleutnant von Blumentritt (i.V.)

22. Juli 1944 General der Flieger Kitzinger

 

3. Gliederung:

15. Juni 1941:

Der Militärbefehlshaber in Frankreich
Bezirks-Chefs Kommandostab Höh. Nachr. Führer
Frankreich
Verwaltungsstab Wehrwirtschafts- und Rüstungsstab
A B C Bordeaux Kdt. v. Groß-Paris Propaganda-Abt. Frankreich Abwehrleitstelle Frankreich Armee-Kartenstelle 514      
Frontleitstelle Paris I. Abt. Feuerschutz-Polizei-Rgt. Leitender Feldpol. Direktor

 

25. September 1941:

Der Militärbefehlshaber in Frankreich
Bezirks-Chefs Kommandostab Höh. Nachr. Führer
Frankreich
Verwaltungsstab Wehrwirtschafts- und Rüstungsstab
A B C Bordeaux Kdt. v. Groß-Paris Propaganda-Abt. Frankreich Abwehrleitstelle Frankreich      
Frontleitstelle 26,  Paris Armee-Kartenstelle 514
I. Abt. Feuerschutz-Polizei-Rgt. Leitender Feldpol. Direktor
Kriegsgef. Bez. Kdt.D

 

Der Verwaltungsstab gliederte sich wie folgt:

Zentralabteilung
Die Zentralabteilung nahm hauptsächlich alle grundlegenden Verwaltungsaufgaben wahr; es kann also von einer Art "Grundsatzabteilung" gesprochen werden. Dafür verfügte sie nicht nür über die drei nachstehend beschriebenen Gruppen sondern auch über das sog. Hauptbüro.

Gruppe 1
Die Gruppe 1 befasste sich mit allen organisatorischen, personellen und disziplinarrechtlichen Angelegenheiten.

Gruppe 2
Neben den Personal-Angelegenheiten der Dolmetscher gehörten zu den Aufgaben dieser Gruppe auch die Organisation und Verwaltung von Urlaub und der Bereich Abwehr.

Gruppe 3
Diese Gruppe übernahm alle Grundsatzfragen zu Presse und Propaganda.

Abteilungen Verwaltung
Die Abteilungen Verwaltung bestanden aus drei einzelnen Abteilungen, denen nochmals einzelne Gruppen unterstanden. Die Organisationsstruktur gestaltete sich 1942 wie folgt:

V 1: Allgemeine Verwaltung
Gruppe 1: Allgemeine und innere Verwaltung
Gruppe 2: Kultur- und Kunstverwaltung
Gruppe 3: Verkehr
Gruppe 4: Bauwesen
Gruppe 5: Post

V 2: Justiz
Gruppe 1: Justizverwaltung und allgemeine Rechtsangelegenheiten
Gruppe 2: Wirtschaftliche Rechtsangelegenheiten

V 3: Finanzen
V 3/1: Finanzverwaltung
V 3/2: Deutsches Vermögen
Wi VIII: Finanz- und Zollpolitik (Aufgabenbezogen an die Abteilungen für den Bereich Wirtschaft angelehnt, organisatorisch jedoch im Bereich Verwaltung aufgehangen)

Abteilungen Wirtschaft
Wie auch bei den Abteilungen Verwaltungen waren den einzelnen Abteilungen in der Regel mehrere Gruppen nachgeordnet. Die Zentralauftragsstelle, die im Auftrag des Wirtschafts- und Rüstungsstabes Aufträge der Wehrmacht an franzöische Firmen vergab, arbeitete eng mit den Abteilungen Wirtschaft zusammen. Organisatorisch waren diese Abteilungen folgendermaßen aufgebaut:

Wi I: Allgemeine Wirtschaftsangelegenheiten und Wirtschaftstransport
Gruppe 1: Allgemeine Angelegenheiten und "Entjudung"
Gruppe 2: Feindvermögen
Gruppe 3: Statistik
Gruppe 4: Wirtschaftstransporte, Dolmetscherdienst

Wi II: Gewerbliche Wirtschaft
Gruppe A: Bergbau und Kohlenwirtschaft, Steine und Erde
Gruppe B: Mineralölwirtschaft
Gruppe C: Energiewirtschaft
Gruppe D: Eisenschaffende Industrie und Gießereien
Gruppe E: Metallschaffende und Halbzeugindustrie
Gruppe F: Eisen- und Metall-verarbeitende Industrie
Gruppe G: Chemische Industrie
Gruppe H: Bauwirtschaft, Baustoffe, Baugeräte
Gruppe J: Textil- und Papierindustrie
Gruppe K: Sonstige Industrien
Gruppe L: Wirtschaftsorganisation, Handel, Handwerk, Fremdenverkehr

Wi III: Ernährung und Landwirtschaft
Gruppe 1: Erzeugung
Gruppe 2: Ernährungswirtschaft
Gruppe 3: Landbewirtschaftung

Wi IV: Forst- und Jagdwesen
Gruppe 1: Forstwirtschaft
Gruppe 2: Holzwirtschaft
Gruppe 3: Jagdwesen

Wi V: Außenhandel, Geld- und Versicherungswesen
Gruppe 1: Auswärtiger Waren- und Zahlungsverkehr
Gruppe 2: Währung, Kredit, Versicherung

Wi VI: Preisregelung

Wi VII: Arbeitseinsatz und Sozialwesen
Gruppe A: Allgemeine Angelegenheiten
Gruppe B I: Anwerbung von Arbeitskräften nach Deutschland
Gruppe B II: Innerfranzösischer Arbeitseinsatz
Gruppe C: Sozialversicherung und Lohngestaltung

 

Literatur und Quellen:

Hans Umbreit: Der Militärbefehlshaber in Frankreich 1940 - 1944, Wehrwissenschaftliche Forschungen, Harald Boldt Verlag, Boppard am Rhein