Schandelo - Ein Scheinflughafen zum Fliegerhorst Venlo

 

Einer der größten Militärflugplätze auf dem europäischen Kontinent war der zur Zeit des Zweiten Weltkrieges in dem Dreieck Venlo - Kaldenkirchen - Herongen liegende deutsche Nachtjagdhorst Venlo.
In einer unglaublich kurzen Zeit von wenigen Monaten mit einem riesigen Aufgebot von deutschen und niederländischen Arbeitskräften errichtet, wurde der Flughafen 1941 in Betrieb genommen. Nach der Räumung und Zerstörung des Platzes am 5. September 1944 wurde das Gelände nicht mehr genutzt. Heute erinnern nur noch wenige Reste von Flugzeughallen, Startbahnen usw. an das, was sich hier einmal abgespielt hat.
Während sich viele Anwohner von Venlo, Kaldenkirchen und Umgebung noch gut an diesen Fliegerhorst erinnern, stößt man bei der Frage nach einem Flugplatz Schandelo auf ungläubiges Staunen. Was war Schandelo und was hat sich hier abgespielt? Bevor man diese Frage beantwortet, kommt man nicht umhin, sich zunächst einmal mit der in Venlo gehandhabten Praxis des nächtlichen Startens und Landens zu befassen.
Bei Alarmbereitschaft warteten die zuständigen Besatzungen mit ihren Maschinen am Liegeplatz auf den Einsatzbefehl. Bei Abruf des Flugleiters rollte die Maschine dann in vollkommener Dunkelheit zu der Startbahn. Hier erfolgte dann für wenige Augenblicke ein Einschalten der Startbahnbeleuchtung, um den Piloten eine Orientierungshilfe zu geben. In ähnlicher. Weise - kurzes Einschalten der Startbahnbeleuchtung beim Einschweben der Maschine - ging die Landung vor sich. Dieses nicht vermeidbare Einschalten der Beleuchtung diente jedoch leider nicht nur den deutschen Nachtjagdbesatzungen als Start- bzw. Landehilfe, sondern verriet auch den oft über dem Platz kreisenden englischen Fernnachtjägern die genaue Lage der Startbahn. Mit Bordwaffenbeschuß und Bombenwurf versuchten sie, den Start- und Landebetrieb zu stören oder gar, etwa durch Beschädigung der Startbahn, ganz zu unterbinden.
Um dieses Risiko beim Start und Landen zu verringern, wurde ca. 8 km nördlich von Venlo bei dem kleinen Bauerndorf Schandelo (östlich des Städtchens Velden / Niederlande) ein sogenannter Scheinflugplatz errichtet. 
Zunächst wurde eine ca. 1000 m lange Startbahn imitiert, die von einem Wäldchen an der Straße Lingsendijk in südwestlicher Richtung bis kurz vor den Leikoekse Weg führte. Die Startbahnbeleuchtung bestand aus Grubenlampen, wie sie im Bergbau Verwendung finden. Weiterhin soll nach Aussage der hier ansässigen Bevölkerung sogar der Start bzw. die Landung eines Flugzeuges in der Weise vorgetäuscht worden sein, daß man eine mit Lampen versehene Lore auf einem Feldbahngleis hin und her gezogen hat. Um die Täuschung zu vervollkommenen, wurden noch Flugzeugattrappen aus Holz (Muster He 111) und provisorische Flugzeughallen in der Nähe der Startbahn aufgestellt. Die "Besatzung" dieses "Fliegerhorstes" hatte ihr Quartier in
einem (heute noch dort befindlichen) Betonbunker an der Straße Lingsendijk und konnte von diesem etwas erhöht liegenden Bauwerk aus das gesamte "Fliegerhorstgelände" überblicken.
Das Vorhandensein dieses Scheinflughafens war natürlich den Allierten durch Luftaufnahmen und Spionagetätigkeit bestens bekannt. Das wurde jedoch von deutscher Seite aus in Kauf genommen. Wenn die Scheinanlagen auch am Boden bei Tageslicht sicherlich sofort als Imitation auszumachen waren, so war ein Erkennen - echt oder unecht - für einen englischen Piloten, der den Raum Venlo in vollkommener Dunkelheit anflog und plötzlich unter sich eine Startbahnbeleuchtung sah, kaum möglich. Nur wenn einmal der Glücksfall für ihn eintrat, daß er gleichzeitig beide Startbahnbeleuchtungen aufleuchten sah, dann wußte er, daß die südlichere von beiden die des echten Flugplatzes Venlo sein mußte.
In der Praxis hat der Scheinflughafen jedoch nie die Erwartungen erfüllt, die man in ihn gesetzt hatte. Er wurde sogar von der Flugleitung des Horstes Venlo abgelehnt und es soll Auseinandersetzungen darüber gegeben haben, ob die Weiterführung des Scheinflughafens nicht sogar negative Auswirkungen für den Horst Venlo zu Folge hatte. Hierbei wurde folgendes beanstandet. Im Gegensatz zu dem echten Horst Venlo, dessen elektrische Startbahnbeleuchtung blitzschnell vom Kontrollturm aus durch die Flugleitung ein- und ausgeschaltet werden konnte, brannten die Grubenlampen des Scheinflughafens Schandelo naturgemäß über einen längeren Zeitraum. Auf diesen Umstand war man so nach und nach auf alliierter Seite aufmerksam geworden. Statt den Scheinflughafen anzugreifen, benutzten ihn die alliierten Piloten mehr und mehr als Orientierungshilfe. Die Erkennung des echten Horstes Venlo war hierbei ziemlich einfach; er mußte südlich der Startbahnbeleuchtung liegen, die dort ununterbrochen leuchtete.
So mußte auch die deutsche Luftwaffenführung einsehen, daß die Einrichtung des Scheinflughafens ein Schlag ins Wasser gewesen war, zumal die anfänglichen Luftangriffe auf diesen Scheinflugplatz mehr und mehr zum Erliegen kamen. Einen weit größeren Erfolg bei der Abwehr von feindlichen Fernnachtjägern erzielte die Flugleitung des Horstes Venlo bei der guten Zusammenarbeit mit dem Radargefechtsstand bei Venray, der auch für das Gebiet um Venlo zuständig war.

Sobald auf den Radarschirmen über dem Platz Venlo feindliche Objekte zu erkennen waren, wurde die Flugleitung in Venlo hiervon in Kenntnis gesetzt. So konnte es nie vorkommen, daß startende und landende Nachtjagdmaschinen durch ein unvorsichtiges Einschalten der Startbahnbeleuchtung bedingt, Überraschungsangriffen von feindlichen Fernnachtjägern ausgesetzt waren.

Von der Einrichtung des Scheinflughafens Schandelo ist heute außer dem bereits erwähnten Bunker - Wohnsitz der "Flughafenbesatzung" - nichts mehr vorhanden.