Panzerbekämpfungsmittel

 

In Anbetracht der immer erdrückender werdenden Übermacht der Alliierten an Panzern und der durch die verstärkte Panzerung immer hilfloser werdende Infanterie begann im Sommer 1942 die Entwicklung der »Panzerfaust« bei der Firma HASAG.

Als erstes Modell entstand die »Faustpatrone klein, 30 m« mit einem Gewicht von 3,2 kg und einer Länge von 985 mm. Eine 54 g schwere Treibladung schoß den 360 mm langen Kopf aus dem 800 mm langen Rohr. Dieser Kopf trug eine 0,4 kg schwere Hohlladung. Stabilisiert wurde er durch am Holzschaft angebrachte, zusammengerollte Leitwerksflächen, welche sich nach dem Verschuß entfalteten. Mit einer Geschwindigkeit von 28 m/Sek. flog der Kopf auf das Ziel zu, wo er nach spätestens 30 m etwa 140 mm Panzerung durchschlug. Schwachstellen dieser Waffen waren das Fehlen einer Visiereinrichtung und das durch die Kopfform bedingte Abrutschen vom Ziel.

Als Verbesserung und Weiterentwicklung wurde die »Panzerfaust 30 m« entwickelt. Man hatte den Durchmesser des Kopfes auf 140 mm erhöht und ihm eine flache Auftrefffläche von 50 mm Durchmesser gegeben. Die Hohlladung trug nun 0,8 kg Sprengstoff, die Panzerungen bis 200 mm durchschlagen konnte. Das Kaliber des Abschußrohres, dessen Länge beibehalten wurde, betrug nun 44 mm, mit der Treibladung von 95 g erreichte der 495 mm lange und 2,9 kg schwere Kopf die Geschwindigkeit von 30 m/Sek., und das entsprach auch wieder der 30-m-Schußweite. Nachteilig wirkte sich auch hier die geringe Reichweite aus. Wenn ein Panzer auf einen Schützen zuwalzt, sind 30 m sehr, sehr wenig. Im August 1943 wurden die ersten Waffen ausgeliefert.

Anfänglich wurden 400.000 Stück je Monat gefordert, diese Menge wurde aber erstmalig im Oktober1944 erreicht, dann ging es aber steil aufwärts, und die ab September1944 geforderten 1,5 Millionen Stück je Monat konnten mit 1,296 Millionen im Dezember fast erreicht werden. Eine schwere Panne war 1944 bei der Juli-Fertigung passiert; wegen Materialfehler mußten 247.200 Panzerfäuste von der Front zurückgerufen werden.

Um eine größere Reichweite zu erzielen, wurde die »Panzerfaust 60 m« entwickelt. Die Treibladung wurde auf 134 g erhöht, die Geschwindigkeit stieg auf 45 m/s, womit eine Schußweite von 60 m erreicht wurde. Die ersten Waffen wurden im September 1944 gefertigt.

Um die Schußweite noch weiter steigern zu können, wurde ab November 194 eine zweiteilige Treibladung mit insgesamt 160 g Gewicht eingebaut, welche die Geschwindigkeit auf 60 m/Sek. steigerte und so eine Schußweite von 100 m erreichte. Die neue Ausführung hieß »Panzerfaust 100 m«.

Anfangs gab es noch größere Probleme mit der neuartigen Munition, so daß das Waffenamt etwa 5-6% aller Waffen zurückweisen mußte.

Im Januar 1945 begann man bei der HASAG mit der Entwicklung der »Panzerfaust 150«. Bei dieser Waffe sollte das Rohr wiederverwendbar sein und für bis zu zehn Schuß eingesetzt werden können. Der neue 560 mm lange Kopf hatte eine stark konisch ausgebildete Kopfhaube und einen Durchmesser von 106 mm. Bei einer Geschwindigkeit des Sprengkopfes von 85 m/Sek. wurde eine Reichweite von 150 m erreicht, der Kopf konnte eine Panzerung bis zu 200 mm durchschlagen. Das Visier reichte bis 200 m. Außer einigen Versuchsmustern erhielt die Truppe diese Waffe nicht mehr.

Die Entwicklung der »Panzerfaust 250« wurde nicht mehr abgeschlossen. Diese Waffe mit wieder verwertbarem Rohr und Pistolengriffstück sollte eine Geschwindigkeit von 150 m/Sek. erhalten.

Um auch schwerste Panzerungen durchschlagen zu können, schlug die Firma HASAG die große Panzerfaust vor. Diese Waffe mit dem Rohr der Panzerfaust 250 sollte 400 mm Panzerung durchschlagen können.

Ab Frühjahr 1943 arbeitete man an der Entwicklung des »Panzerschrecks« oder auch »Ofenrohr«. Die Waffen waren einer amerikanischen Bazooka nachempfunden, die man in Tunesien erbeutet hatte. Allerdings steigerte man deutscherseits das Kaliber von 60 mm auf 88 mm. Die Waffe hatte die offizielle Bezeichnung »Raketen-Panzer-Büchse« und wog 9,25 kg. Sie war 1.640 mm lang und verschoß die 3,25 kg schwere Raketen-Panzer-Büchsen-Granate 4322, welche eine Hohlladung von 0,66 kg Gewicht trug. Auf dem Flug wurden diese Granaten von einem Ringleitwerk stabilisiert. Um den Schützen vor dem Feuerstrahl zu schützen, trug dieser einen feuerfesten Poncho und eine filterlose Gasmaske gegen die zurückfliegenden Pulverreste. Diese Vorschrift war im Einsatz nur schwer einzuhalten. Die Treibladung brachte die Granate nach 2 m auf 105 m/Sek., welche bei einem Winkel von 60° 60-mm-Panzerung durchschlug. Von der ersten Serie wurden nur wenige Waffen gebaut.

Erfahrungsbericht der 225. Infanterie-Division über das "Ofenrohr" vom 14. März 1944

Die verbesserte »Raketen-Panzer-Büchse 54« war mit einem 36 x 47 cm großen Schutzschild versehen, welcher Poncho und Gasmaske überflüssig machte. Die Waffen wogen nun 11 kg und verschoß die neue R.Pz.B.Gr. 4992 mit einer Reichweite von 180 m.

Eine weitere Verbesserung stellte die Raketen-Panzer-Büchse 5411 Sie war nur noch 1.350 mm lang und hatte eine verbesserte Zieleinrichtung. Die Ausrüstung der Truppe mit der neuen Waffe lief nur langsam, mit der Munition gab es erhebliche Schwierigkeiten. Über 13 % der Munition wurde vom Waffenamt und der Truppe zurückgewiesen.

Bei den Rückzügen der Wehrmacht im Juli 1944 nahm die Verlustrate an Raketen-Panzer-Büchsen rapide zu. Bei der SS-Waffenakademie in Brünn entwickelte man daher ein Muster aus imprägnierter Preßpappe. Die Waffen wogen 2 kg weniger, eine Massenproduktion erfolgte aber nicht mehr.

Um den Schützen mit seinem »Panzerschreck« besser zu schützen, war ein sogenanntes Deckungszielgerät entwickelt worden, von dem man im Februar 1945 noch 100.000 bestellt hat.

Produktionstafel bis März 1945:

Bezeichnung 1943 1944 1945
Faustpatrone 123.900 1.418.300 12.000
Panzerfaust 227.800 4.120.500 2.351.800
Raketen-Panzer-Büchse 54 50.835 238.316 -
Raketen-Panzer-Büchse 54/1 - - 25.744
Granate 4322 und 4992 173.000 1.805.400 240.000

Ein im Kaliber auf 10,5 cm vergrößerter »Panzerschreck« wurde im August 1944 vorgeschlagen. Die 18 kg schwere Waffe von 2.400 mm Länge sollte mit einer 6,1 kg schweren HL-Granate 180 mm auf 300 m durchschlagen. Es wurden aber nun 240 mm Durchschlagsfähigkeit gefordert, außerdem sollte die Waffe leichter werden. Beim nächsten, etwas veränderten Muster kürzte man das Rohr auf 2.000 mm, das Waffengewicht konnte auf 13 kg gesenkt werden. Die nun 6,3 kg schwere Granate trug jetzt eine neue Hohlladung von 1,3 kg, und das reichte für 220 mm Panzerstahl. Da aber nun die Rückstoßkräfte zu groß geworden waren, begann man mit einer kleinen Lafette zu experimentieren. Im Einsatz ist kein Muster des 10,5-cm-»Panzerschrecks« mehr gewesen.

Die Firma Mauser hat unter den Decknamen »Igel« und »Stachelschwein«, die später die Geräte-Nr. 26 und 28 erhielten, ebenfalls zwei »Panzerschreck«-ähnliche Waffen vorgeschlagen. Hier sollte aber der Rückstoß durch mehrere kleine Zusatzraketen ausgeglichen werden. Aus einer Forschungsanstalt in Ruit kam der Vorschlag für eine Schulterwaffe mit 10,5-cm-Kaliber, es liegen jedoch keine Einzelheiten für die mit W 22 bezeichnete Panzerabwehrwaffe mehr vor.