Gebirgsgeschütze

 

Das Wesen des Gebirgskrieges bringt es mit sich, dass im Gebirge die sonst im Heer verwendeten Geschütze nicht einsetzbar waren, da sie nicht an den jeweiligen Einsatzort transportiert werden konnten. Daher war es bei den Gebirgstruppen besonders wichtig, dass die Gebirgsgeschütze in mehrere Lasten zerlegbar waren, die dann durch Maultiere transportiert werden konnten. Nach einer Ausschreibung von 1926 legte Rheinmetall die 7,5-cm-Gebirgskanone L/21 vor. Die Waffe wog 756 kg, das Rohr war 1575 mm lang. Bei einer v0 von 430 m/Sek. wurde mit der 6,6 kg schweren Granate eine Schußweite von 9.010 m erreicht.

Eine andere Entwicklung war die 10,5-cm-Gebirgshaubitze L/15 mit 841 kg. Bei einer Rohrlänge von 1.575 mm und einer v0 von 295 m/Sek. wurde mit einer 15,6 kg schweren Granate eine Reichweite von 7.010 m erreicht.

Sowohl die 7,5-cm-Gebirgskanone L/21 als auch die 10,5-cm-Gebirgshaubitze L/15 wurden vom Waffenamt abgelehnt.

Eine Zwischenlösung war die noch aus den Zeiten des Ersten Weltkriegs stammende 7,5-cm-Gebirgskanone 15 L/15, die bei Skoda produziert wurde und aus den Beständen des Österreichischen Bundesheeres und der tschechischen Armee übernommen wurden. Die 630 kg schwere Waffe besaß ein Rohr mit 1.155 mm Länge. Sie war in sieben Lasten zerlegbar, die zwischen 78 kg und 156 kg schwer waren. Der Schwenkbereich lag bei 7°, die Rohrerhöhung von -9° bis +50°. Die maximale Feuergeschwindigkeit lag bei 6-8 Schuß in der Minute, bei einer v0 von 386 m/Sek. wurde eine Reichweite von 6.650 m erreicht. Sie wurde in Batterien zu je vier Geschützen eingesetzt.

Man baute deshalb als Zwischenlösung eine Anzahl 7,5-cm leichte Infanterie-Geschütze 18 L/11,8 in 7,5-cm-leichte Gebirgs-Infanteriegeschütze 18 L/11,8 um. Diese waren dann in sechs Lasten oder zehn Traglasten zerlegbar und hatten ein Gewicht von 440 kg in Feuerstellung. Bei einer v0 von 220 m/Sek. konnten Schußweiten von maximal 3.550 m erreicht werden. Die Truppe erhielt insgesamt 95 dieser Geschütze, die alle 1939 ausgeliefert wurden. Sie wurden in den Zügen zu je zwei Geschützen in den Gebirgs-Bataillonen eingesetzt.

Das 7,5-cm-Gebirgsgeschütz 36 L/19,3 war zwischen 1935 und 1938 von der Firma Rheinmetall entwickelt und von 1940/41 in die Truppe eingeführt worden. Das kleine, sehr niedere, doch ziemlich schwere Geschütz hatte eine Spreizlafette, vollgummibereifte Stahlgussräder und eine auffallende topf-artige Mündungsbremse mit großen, seitlichen Schlitzen, aber kein Schutzschild. Es wurde auf dem Marsch hinter einer einachsigen Karette im Tandem-Zug durch Maultiere gefahren, konnte aber auch in acht Einzellasten zerlegt und auf Tragetieren mit Spezialsätteln befördert werden.
1. Last: Unterlafette mit Achse, 2 Räder, 109 kg
2. Last: rechter und linker Holm, 2 Spaten, 1 Kreuzhacke, 2 Überzüge, 80 kg
3. Last: Oberlafette, 4 Hebebäume, 112 kg
4. Last: Rohrwiege, Überzug, 116 kg
5. Last:Bodenstück, 2 Rohrmatten, Überzug, 111 kg
6. Last: Rohrschlitten, Überzug zum Rohrschlitten, Verriegelungsstück, Überzug zum Verriegelungsstück, 2 Sporne, 4 Hebebäume, 108 kg
7. Last: Rohr, 1 Überzug, 1 Mündungskappe; 2 Zugtaue, 2 Tauträger, 112 kg
8. Last: Richtmittelkasten mit Klauenbeil, Gabeldeichselmittelstück, Dreibein mit Kollimator, Kasten Kollimator und Sammler, Wischerrichtlatte, Zugbeschirrung, 93 kg
Hier zeigte sich der einzige Nachteil der Geschütze: Sie waren zu schwer und die einzelnen Lasten nicht ausgewogen. Das 7,5-cm-Gebirgsgeschütz 36 L/19,3 wurde wegen seiner guten ballistischen Eigenschaften bei Flach- und Steilfeuer bald zur Standardwaffe der Gebirgsartillerie und befand sich bei den leichten Gebirgsbatterien bis Kriegsende im Gebrauch. Das Geschütz war 750 kg schwer. Bei einer Rohrlänge von 1.450 mm und einer v0 von 475 m/Sek. konnten Schußweiten von bis zu 9.250 m erreicht werden. Die maximale Rohrerhöhung betrug von -2° bis +70°, der Schwenkbereich 40°. Die Feuergeschwindigkeit: lag bei 6-8 Granaten / min, das Geschossgewicht bei 6 kg. Die Bedienung bestand aus 5 Mann. Eingesetzt wurden die Geschütze in Batterien zu je vier Geschützen.
 

Die 7,5-cm-Gebirgskanone 43 L/18,5 wurde ab 1940 bei der Firma Böhler entwickelt und stand 1945 kurz vor der Einführung bei der Truppe. Das 620 kg schwere Geschütz war in sieben Lasten zerlegbar, die Rohrlänge betrug 1.450 mm. Bei einer v0 von maximal 505 m/Sek. konnten Schußweiten von 9.500 m erreicht erden. Die maximale Rohrerhöhung betrug von -5° bis +70°, das Seitenrichtfeld 40°. Die Waffe war auch unter dem Namen »Gerät 99« bzw. »Gebhard« bekannt.

Eine ebenfalls bei der Firma Böhler gebaute Waffe war die 10,5-cm-Gebirgshaubitze 40, die mit ihrem 3.150 mm langen Rohr ein Gewicht von 1.660 kg wog. Für die Senkung des Gewichts wurde auf ein Schutzschild verzichtet.  Bei einer v0 von 565 m/Sek. konnten mit der 14,8 kg schweren Granate Schußweiten von bis zu 12.650 m erzielt werden. Die Rohrerhöhung betrug von -5° 30 bis +71°, das Seitenrichtfeld 51°. Das Rohr mit einer Kaliberlänge von 32,8 Kalibern war als Vollrohr mit abnehmbarem Bodenstück ausgebildet. Wesentlich war die Verwendung einer Mündungsbremse, wodurch die auf die Lafette wirkenden Kräfte herabgesetzt wurden. Anders als bei anderen Gebirgsgeschützen, war eine Zerlegung in mehrere Tragtierlasten nicht möglich. Das Geschütz konnte einlastig im Kraftfahrzug gefahren werden. Andererseits war die Zerlegung in vier Lasten möglich, die auf Einachskarren befördert werden konnten, die ebenfalls wie die Unterlafette von Kettenkrädern gezogen werden konnten. Die Munition war übrigens nicht mit der der 10,5-cm leichten Feldhaubitze austauschbar. Das Geschütz gelangte ab 1942 zur Gebirgstruppe.

Eine Eigenentwicklung der SS bei der Firma Skoda stellte die 10-cm-Gebirgshaubitze 16/19(t) dar. Die 1330 kg schwere Waffe mit ihrem 2.500 mm langen Rohr erreichte bei einer v0 von 464 m/Sek. eine Schußweite von 10.900 m. Insgesamt wurden 47 Stück dieser Waffe gefertigt.

Die Produktion der Gebirgsgeschütze und ihrer Munition während des Zweiten Weltkriegs:

Geschütze 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945
Geb.G. 36 59 70 84 216 242 456 66
Geb.H. 40 - - - 30 104 223 63
Munition
(in 1.000 Schuß)
             
7,5-cm-Gr. 36 34,0 228,6 97,3 382,1 1.046,6 1.649,5 34,0
10,5-cm-Gr. 40 - - - 165,4 210,0 705,0 80,0

 

Bei den Gebirgsgeschützen finden sich folgende Beutewaffen:

Italien

Die 6,5-cm-Gebirgskanone 26(i) wurde als leichtes Infanteriegeschütz eingesetzt. Sie war 556 kg schwer und hatte ein 1.150 mm langes Rohr, aus dem bei einer v0 von 350 m/Sek. eine 4,2 kg schwere Granate 6.500 m weit verschossen werden konnte.

Die 10-cm-Gebirgshaubitze 316(i) war 1.235 kg schwer und in nur drei Lasten zerlegbar. Bei einer v0 von 405 m/Sek. wurden Schußweiten von 9.280 m erreicht.

Frankreich

Die 7,5-cm-Gebirgskanone 238(f) besaß ein Gewicht von 660 kg und ein 1.397 mm langes Rohr. Bei einer v0 von 375 m/Sek. wurden Schußweiten von 9.000 m erreicht.

Rußland

Die 7,62-cm-Gebirgskanone 307(r) war 785 kg schwer und in zehn Lasten zerlegbar. Bei einer v0 von 500 m/Sek. wurden Schußweiten von 10.100 m erreicht.

 

Literatur und Quellen:

Terry Gander, Peter Chamberlain: Enzyklopädie deutscher Waffen 1939–1945. 2. Auflage. Spezialausgabe. Motorbuchverlag, Stuttgart 2006
Ian V. Hogg: German Artillery of World War Two. Stackpoole Books, Mechanicsburg 2002
Karl R. Pawlas: Das 7,5-cm Gebirgsgeschütz 36. In: Waffen-Revue Nr. 90 bis 93, Nürnberg
Franz Kosar: Gebirgsartillerie Geschichte - Waffen - Organisation Motorbuch-Verlag, Stuttgart