355. Infanterie-Division

 

1. Einsatz und Unterstellung:

Mit Befehl des BdE - Chef H Rüst u BdE/AHA/Ia Nr.715/43 g.Kdos. vom 10. Februar 1943 erfolgte die Anordnung zur kalendermäßigen Mob-Vorbereitung der Aufstellung einer Eingreif-Division "Brunhilde" (als designierte 355. ID). Die Aufstellung war bis zum 20. Februar 1943 abzuschließen. Mit Abgabe je einer Kompanie eines jeden Bataillons von der 157. Res. Div. (Grenoble), der 165. Res. Div. (Besançon) und der 182. Res. Div. (Nancy) wurden die drei Grenadier-Regimenter mit je 2 Bataillonen gebildet (nur GR 866 hatte ein III. Bataillon); als Divisionsstab fungierte der Stab der 165. Res.-Div. in Epinal. Die 355. ID war ursprünglich vorgesehen als Ablösung für eigene Truppen, die bei einer befürchteten alliierten Landung in den Ländern Spanien/Portugal gegen eine solche Invasion eingesetzt werden sollten (Operation „Gisela“). Um eine unnötige Massierung deutscher Kräfte im Pyrenäenvorland zu vermeiden, verblieben die Divisionsteile zunächst in ihren bisherigen Regionen mit weiterer Zusammenstellung und Ausbildung. Mit Befehl der OrgAbt II/12053 g.Kdos. vom 27.April erfolgte dann die Mobilisierung (und damit die tatsächliche Aufstellung) mit Verwendungsbereitschaft zum 1.Mai 1943, sowie die Anordnung für Bereitstellung zum 18. Mai. Der Divisionsstab verlegte daraufhin nach Arles (1.5.) und bis zum 18. Mai wurden auch die Divisionsteile in Südfrankreich im Raum Carcassone und Narbonne zusammengeführt. Mit dem 15. Mai erging dann Befehl für den Abtransport der Division per Eisenbahn in den Osten ab 20.5. beginnend (Vorauspersonal am 15.5.) zur HGr A auf die Krim. Nach der Ankunft von über 30 Zügen war die Verlegung zur Krim dann Anfang Juni planmäßig beendet. Die Division wurde zur Küstenverteidigung eingesetzt und übernahm nach Aufstellung auch die Festungskommandantur Feodosia (19.6.). Während dieser Zeit und in den nächsten Wochen erfolgten durch OB West laufend weitere Zuführungen an Mensch und Material zur Aufstellung fehlender Truppenteile (die fehlenden III. Bataillone sowie auch das vom Wehrkreis V aufgestellte Artillerie-Regiment), um die Division auf volle Kampfstärke zu bringen. Nach Beginn der russischen Großoffensive „Rumjancev“ (3. August) wurde die 355.ID vom 7. – 16. August 1943 von der Krim via Poltawa an die stark bedrängte Front südlich Charkow verlegt. Während anfänglich erste eintreffende Teile noch zur Sicherung Poltawas und zur Aufklärung nach Norden eingesetzt waren, wurde die Division ab dem 16.8. für den Kampfeinsatz freigegeben und schnellstens an den sehr überdehnten und dadurch stark gefährdeten Divisionsabschnitt der 161. Infanterie-Division herangeführt. Durch das Heranführen und Einschieben von Kräften der 355.ID in die Front östlich Merefa (DivGefStd) gelang hier eine Abriegelung der Front bei der 161.ID nach Westen. In den Folgetagen war die Masse der drei Regimenter der Division in diesem Kampfraum (Waldgebiete zwischen Lewkowka und Timtschenkowa und die Orte Sidki, Borowoje, Konstantowka, Mirgorod) der 161. Infanterie-Division unterstellt und hatte hier schwere Kämpfe zu bestehen. Die kampfunerfahrenen Regimenter waren dabei dem Gegner in jeder Beziehung unterlegen und dementsprechend hoch waren die Verluste in den nächsten Tagen bis Ende August. Dies galt auch für die anderen, eigenen Divisionsteile, als am 19. August 1943 die 355. ID den südlichen Divisionsabschnitt der 161. ID mit allen sich im Abschnitt befindlichen Truppen der 161. ID (= GR 371) übernahm. Dort war es dem Feind gelungen, im Raum Smijew einen Brückenkopf zu gewinnen. Das dabei am Vortag verloren gegangene Proletarskoje konnte zwar zurückerobert werden, jedoch gelang es nicht, den Feind zum Donez zurückzudrücken. Die in den nächsten Tagen vorgetragenen Feindangriffe bei Bespalowka und Shadanowka auf Taranowka konnten sämtlich- z.T. in Gegenstößen abgewiesen werden. Ein am 26.August 1943 auf ganzer Divisionsfront vorgetragener Feindangriff erzielte dann jedoch mehrere tiefe Einbrüche auf breiter Front. Am Abend dieses Tages stand der Feind bei Taranowka und den Waldgebieten nordöstlich davon. Dabei wurde das II./GR 866 abgeschnitten, konnte sich aber am nächsten Tag unter Mitnahme aller Verwundeten und sämtlicher schwerer Waffen durchschlagen. PiBatl 355 und AA 355 hielten noch die Ortsmitte Taranowka. Auf Höhen und im Waldgelände nördlich und westlich Dudkowka stand der Feind und die Division setzte sich am nächsten Tag in eine neue Linie ab. Der Feind folgte anfänglich nur zögernd, setzte seine Angriffe dann aber mit starker Artillerie-Unterstützung fort und es gelangen ihm weitere Einbrüche bei Schemety und Omeliwka sowie Kononenkow, die am 29.8. nur unter Einsatz letzter Reserven in allgemeiner Linie Bahndamm zum Stehen gebracht werden konnten. An dieser neuen HKL (mit rechter Grenze Nordwestausgang Taranowka zur 6. Panzer-Division und linker Grenze 2 km westlich Ortsmitte Borki zur 161. Infanterie-Division, DivGefStd in Rjachubino), die, bedingt durch die hohen Personalausfälle, mehr eine schwache Sicherungslinie war, konnten alle Feindangriffe z.T. mit Unterstützung von „Tigern“ bis zum 13. September (Beginn der planmäßigen Absetzbewegung hinter den Dnjepr) zerschlagen werden. Die Abwehr der teilweise mehrmals täglich vorgetragenen Feindangriffe mit starker Artillerieunterstützung und anhaltenden Luftangriffen forderte weiterhin schwere eigene Verluste, die auch mit Auskämmen und dem rigorosen Kampfeinsatz rückwärtiger Dienste nicht kompensiert werden konnten. Mit Umgruppierung für die Absetzbewegung (DivGefStd in Melechowka) wurde der linke Nachbar (161. ID) am 13.9. aus der Front gelöst und dessen fechtende Teile incl. der dort unterstellten eigenen Divisionsteile (Reste des GR 867 und GR 868 waren schon Ende August in die GR 336 und 364 der 161. ID aufgegangen) in einer Kampfgruppe (Maj) Abel (= Reste der GR 336 und GR 364) zusammengefasst und mit Schnelle Abt 241 sowie PiBatl 241 (jeweils ohne Stab und Trosse) der 355.ID unterstellt. Hinzu kam die gesamte Artillerie (AR 241), Teile der NA 241 sowie kleinere Teile der San-Dienste. Das schon seit August unterstellte GR 371 (161.ID) verblieb als Gruppe Kiefer ebenfalls bei der 355. ID. Trotz weiterer Zuführung und Eingliederung von Teilen der 293. Infanterie-Division (AA 293 sowie 200 Mann der GR 510 und 511) am 16.9. hatte die 355. ID am 23.9. dennoch nur eine Gefechtsstärke von 1359 Mann ! Die sprungweise, nachts in südwestlicher Richtung durchgeführte Absetzbewegung über Ochotschaje (14.9.), Djatschkowka (15.9.), Ziglerowka (16.9.), Krassnograd (17. Und 18.9.), Pereschtepino (19.9.) verlief planmäßig, wenn auch durch schwächeren Feinddruck oftmals verzögert. Erst mit Erreichen und Besetzen des vorgesehenen Brückenkopfes Kurilowka– Grabskij – Jakowlewka (nw Dnjeprosershinsk) (ab 22.9.) verstärkte sich der Feinddruck. Durch scharfes Nachdrängen versuchte der Feind tagsüber das Übersetzen von eigenen Kräfte über eine 80t-Brücke bei Peski zu verhindern. Andere Teile der Div. (linkes Flügel-Rgt) wurden im Fährbetrieb ohne weiteren Feindruck bei Romankowo und Werchnedneprowsk übergesetzt. Am 25. September 2:00 Uhr hatten alle Teile der 355. ID den Dnjepr überschritten und übernahmen den zugewiesenen Verteidigungsabschnitt von Werchnedneprowsk (incl.) bis Borodajewka (incl.) Im hier sehr breiten Dnjepr lagen mehrere große und kleine Inseln, die anfänglich aus Kräftemangel nicht mit in die Verteidigungslinie einbezogen waren und auf die sich der Gegner als „Sprungbrett“ für das weitere Übersetzen schnell festsetzte. Dabei gelang ihm die Errichtung kleinerer Brückenköpfe gegen die zwar sofort eigene Aktionen zur Säuberung des Westufers angesetzt worden waren, jedoch schlugen alle Versuche die Puschkarewskij-Inseln und die feindbesetzten Glinko-Borajewskij-Inseln freizukämpfen fehl. Der Gegner verstärkte sich besonders bei letzteren Inseln fortwährend und es gelang ihm 5km ostwärts Borodajewka auf dem Westufer anzulanden. Ein am Folgetag (26.9.) angesetzter Angriff der 355.ID zur Wiederinbesitznahme der Glinsko-Borodajewski-Inseln und gegen die 5km ostw Borodajewka gelandeten Feindteile drang nicht durch. Der Feind verstärkte sich hier laufend und auch ein weiterer Angriff zusammen mit der 23.Panzer-Division scheiterte. Ein am 27.9. erneuter Versuch der 355.ID, den Feind mit einer KGr (mit unterstellter 23. PzDiv) auf das Ostufer des Dnjepr zu werfen, war wiederum vergeblich. Unter hohen eigenen Verlusten (GR 866 ca. 50%) setzte sich die KGr auf die Ortschaften westl. der Inseln ab. In den folgenden Tagen gelang es dem Feind, seinen Brückenkopf zwischen den Glinsko-Borodajewkij-Inseln auf der Rollbahn Domotkan – Borodajewka auf 6km zu erweitern. Es erfolgte zwar eine Abriegelung, aber auf Grund der nur vorhandenen eigenen, schwachen Kräfte ließ sich dieser Brückenkopf nicht mehr eindrücken. Auch an dem anderen Verteidigungs-Schwerpunkt des Divisionsabschnitts (Pushkarewka, Domotkan) war dem Feind Ende September eine Anlandung geglückt, die ebenfalls nur abgeriegelt, aber nicht beseitigt werden konnte. Eigene Gegenangriffe scheiterten an dem verbissenen Widerstand des Gegners, der sich in beiden Brückenköpfen fortlaufend verstärkte und selbst versuchte, mit Angriffen seine Stellungen zu erweitern und Einbrüche oder Durchbrüche auf Werchnednjeprowsk bei der Division zu erzielen. In selbstlosem Einsatz der Infanterie gelang es bis zum 16. Oktober, teilweise nur mit letzten Mitteln und Unterstützung des Armeekorps bzw. der neu gebildeten Gruppe Kirchner, dies zu vereiteln (DivGefStd in Tomarowka). Ein russischer Großangriff am 15.10. gegen die, durch die ständigen Angriffs- und Abwehrkämpfe der letzten Wochen außerordentlich stark abgekämpfte Division, zwang dann auch zur Zurücknahme der Front und zum Absetzen auf eine verkürzte Sehnenstellung. Der Gegner folgte diesem Rückzug scharf nach und nur mit letzter Kraft konnte bis zum 22. Oktober in wechselvollen Kämpfen bei der Division ein feindlicher Durchbruch auf Ssaxsagan verhindert werden. An diesem Tag wurde mit dem weiteren Ausweichen des LII. Armeekorps die 355.ID aus der Front gezogen und in den Raum südwestlich Werchowzewo zur Vfg des Korps verlegt. Der Divisionsstab wurde vom Kampfauftrag befreit und bis zur Verlegung nach Frankreich (21. Januar 1944) zur Aufstellung der 77. Infanterie-Division mit Aufgaben im rückwärtigen Bereich betraut. Ebenfalls zur Aufstellung der 77.ID kamen die PzJgAbt, das PiBatl und die gesamten Versorgungstruppen, die am 17.12. zuerst nach Radom (Polen) zur Aufstellung der 364.ID vorgesehen waren, letztendlich nach dem Abbruch dieser Aufstellung aber auch für die 77.ID verwendet wurden. Des Weiteren wurde die Nachrichten-Abteilung 355 zur Nachrichten-Abteilung 311 und der Stab des GR 868 bildete den Stab des GR 912 bei der 349. ID.

Mit dem 22.10. endete auch die Unterstellung sämtlicher Teile der 161. Infanterie-Division. Diese Truppen, sowie die danach noch vorhandenen Reste der 355. ID, die den Stab und die Divisionsgruppe 355 mit der Regimentsgruppe 866 bildeten, wurden mit Teilen der Artillerie zur Aufstellung der Korps-Abteilung A herangezogen. Die 355. Infanterie-Division wurde am 21. Dezember 1943 offiziell aufgelöst.

 

1943

Datum Armeekorps Armee Heeresgruppe Ort
17. Februar LXIV. Reserve-Korps in Aufstellung D (OB West) Mittelfrankreich
1. Mai Armeegruppe Felber An- / Abtransport D (OB West) Südfrankreich
20. Mai Befehlshaber Krim An- / Abtransport A Krim
14. August XXIV. Panzerkorps Armee-Abteilung Krmpf Süd Poltawa
16. August XXXXII. Armeekorps 8. Armee Süd Charkow (Lagekarte)
11. September LII. Armeekorps 8. Armee Süd Charkow
16. September LII. Armeekorps 1. Panzerarmee Süd Charkow
30. September LII. Armeekorps / Gruppe Kirchner 1. Panzerarmee Süd

Werchnednjeprowsk

18. Oktober LII. Armeekorps 1. Panzerarmee Süd Werchnednjeprowsk
22. Oktober LII. Armeekorps z. Vfg. 1. Panzerarmee Süd Werchnednjeprowsk
2. November (Reste) z. Vfg. LVII. Panzerkorps 1. Panzerarmee Süd Aufstellung Korps-Abteilung A
21. Dezember       Auflösung

 

2. Divisionskommandeure:

14. Mai 1943 Generalleutnant Dietrich Kraiß

 

3. Gliederung:

Grenadier-Regiment 866

Grenadier-Regiment 867

Grenadier-Regiment 868

Artillerie-Regiment 355

Pionier-Bataillon 355

Feldersatz-Bataillon 355

Panzerjäger-Abteilung 355

Aufklärungs-Abteilung 355

Divisions-Nachrichten-Abteilung 355

Divisions-Nachschubführer 355

 

4. Literatur und Quellen:

- Georg Tessin: Verbände und Truppen der Deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 19391945. Band 9. Die Landstreitkräfte 281 370, Biblio-Verlag, Bissendorf  1974

- Schramm, P.E. : Kriegstagebuch des Oberkommando der Wehrmacht 1940-1941

- K. Mehner: Die geheimen Tagesberichte der deutschen Wehrmachtsführung“

- MGFA: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd 8 Die Ostfront, DVA, 2007

- DRK : Divisionsschicksale und VBL

- Gerhard Kippar: Das Kampfgeschehen der 161. (ostpreuß.) Infanterie-Division von der Aufstellung 1939 bis zum Ende, Selbstverlag, Bohmsende 1994

- Hinze, Rolf: Rückzugskämpfe in der Ukraine 1943/44, Eigenverlag, Meerbusch, 1991

-http://wwii.germandocsinrussia.org/de

-Sammlung Millmann: Fundstücke, Zeitzeugenberichte, DRK- Gutachten, Nachlässe,

Heereskarten u.a.

-NARA, unit history

-NARA, T 311 R 157

-NARA, T 312 R 54, R 59

-NARA, T 313 R 61, R 62

-NARA, T 314 R 1002, R 1297, R 1302, R 1303, R 1305, R 1492, R 1493