Fliegerführer Atlantik

 

1. Lebenslauf

Nach einem Führerbefehl vom 8. Januar 1941 wurde die I. / Kampfgeschwader 40 dem Unterstellungsverhältnis der Kriegsmarine entzogen und wieder der Luftwaffe unterstellt. Daraufhin wurde die Schaffung eines "Fliegerführers Atlantik" ins Auge gefaßt, um die Fernaufklärung über dem Atlantik und den Fernkampf westlich des 25. Längengrades zu führen. Hitler befahl daraufhin am 24. Februar 1941, gegen die Einwendungen der Marine, diese Dienststelle aufzustellen. Der Stab des Fliegerführers Atlantik wurde daraufhin unter der Luftflotte 3 am 15. März 1941 in Lorient aufgestellt. Der Stab entstand dabei aus Abgaben des Stabes des IV. Fliegerkorps. Die Aufgaben des Fliegerführers waren:
- Aufklärung für die U-Boot-Kriegsführung
- Sicherung und Aufklärung bei Operationen von Überwasserstreitkräften im Atlantik
- Geleitschutz im Küstenvorfeld
- Wetteraufklärung
Dabei hatten Aufklärungs- und Sicherungsaufgaben Vorrang vor Kampfaufgaben. Der Stab war auf die enge Zusammenarbeit mit dem Marinegruppenkommando West und dem BdU / FdU. Dabei kam es bereits früh zu Streitigkeiten über die Kapazitäten des Fliegerführers Atlantik. Während das Marinegruppenkommando West an der Luftaufklärung für ein- und auslaufende Kriegsschiffe, Sperrbrecher und Versorger interessiert war, brauchte der BdU Informationen zu feindlichen Konvoi-Bewegungen.
In den Folgemonaten machten sich die verstärkten Abwehr-Anstrengungen der Briten bemerkbar. Bei den Einsätzen des Fliegerführers und der unterstellten Verbände machte sich die Unzulänglichkeit in der Ausrüstung und in der Ausbildung der Besatzungen bemerkbar. So meldete am 1. Juli 1941 eine Focke-Wulf Fw 200 einen gesichteten Konvoi mit Kurs 210°. Der Konvoi fuhr jedoch einen Generalkurs um 140°, so dass die herangeführten U-Boote den Geleitzug nicht finden konnten. Bei Positionsmeldungen waren Abweichungen von 200 km keine Seltenheit.
Für den Monat November 1941 meldete der Fliegerführer Atlantik folgende Einsatzzahlen:
Auf Anforderung des BdU wurden 62 Focke-Wulf Fw 200 zur Aufklärung gegen britische Geleitzüge im Atlantik eingesetzt. Dabei wurden fünf Geleitzüge erfasst.
Auf Anforderung der Marinegruppe West wurden 34 Focke-Wulf Fw 200 und 58 Heinkel He 115 zur Aufklärung gegen feindliche Seestreitkräfte bzw. für Sicherungsaufträge für eigene Schiffe eingesetzt.
Zur eigenen Aufklärung wurden 46 Junkers Ju 88 und 10 Messerschmitt Bf 110 zur Erfassung des Küstengeleitverkehrs an der englischen Küste angesetzt. Dabei wurden 45 Küstengeleite gesichtet.
Zum Kampfeinsatz gegen Seeziele wurden zwei Focke-Wulf Fw 200, 64 Heinkel He 111,41 Heinkel He 115, 116 Junkers Ju 88 und sechs Arado Ar 196 eingesetzt.
Auf Befehl der Luftflotte 3 wurden 15 Heinkel He 111 und 13 Junkers Ju 88 zum Kampfeinsatz gegen Erdziele eingesetzt.
Zur Seenotsuche wurden sieben Junkers Ju 88, drei Heinkel He 115 und drei Arado Ar 196 eingesetzt.
Für den Monat November beanspruchte der Fliegerführer Atlantik die Versenkung von acht Schiffen mit 49.200 brt und die wahrscheinliche Versenkung eines weiteren Schiffes mit 5.000 brt. Außerdem sollen 12 Schiffe mit 50.032 brt beschädigt und zwei Schiffe mit 6.800 brt wahrscheinlich beschädigt worden sein.
Im Laufe der sich immer weiter ausdehnenden Fronten wurde auch die Stärke des Fliegerführers Atlantik immer weiter verringert. Der britische Raid auf St. Nazaire in der Nacht auf den 28. März 1942 verdeutlichte die Schwäche der deutschen Luftaufklärung. Der britische Verband erreichte St. Nazaire, ohne von der deutschen Luftaufklärung erfasst werden zu können. Durch das Fehlen leistungsstarker Flugzeuge mit großer Reichweite wie der Heinkel He 177 und der Junkers Ju 290, deren Serienreife sich immer weiter verzögerte, schwand auch die Schlagkraft und die Einsatzerfolge des Fliegerführers Atlantik. Mit der Ernennung Admiral Dönitz zum Oberbefehlshaber der Kriegsmarine änderte sich noch einmal das Bild beim Fliegerführer Atlantik. Im Frühjahr 1943 kam es zu einer spürbaren Verstärkung der zugewiesen Aufklärungs-Einheiten, um den von Dönitz favorisierten U-Boot-Krieg unterstützen zu können. Trotzdem gelang es nicht mehr, den Kampf im Atlantik zu drehen. Im März 1944 ging der Stab des Fliegerführer Atlantik im Stab des aus Griechenland nach Angers zugeführten X. Fliegerkorps auf. 

 

2. Kommandeure

31. März 1941 Generalleutnant Martin Harlinghausen

30. Oktober 1941 Generalmajor Wolfgang von Wild (i.V.)

5. Februar 1942 General Ulrich Keßler

 

3. Gliederung

15. März 1941

Stab / KG 40 Rennes Ju 88A
Stab I. / Kampfgeschwader 40 Bordeaux-Merignac Fw 200
4. / Kampfgeschwader 40 Bordeaux-Merignac He 111
5. / Kampfgeschwader 40 Bordeaux-Merignac Do 217
I. / Kampfgeschwader 1 Amiens-Glisy He 111
2. / Küstenfliegergruppe 606 Lannion Ju 88
3. / Küstenfliegergruppe 606 Lannion Ju 88
1. / Küstenfliegergruppe 106 Hurtin He 115
5. / Bordfliegergruppe 196 Cherbourg Ar 196
1. / Küstenfliegergruppe 406 List Bv 138
2. / Küstenfliegergruppe 506 Brest He 115
1. / Küstenfliegergruppe 906 Brest He 115
2. / Küstenfliegergruppe 906 Hörnum Bv 138

 

 

22. Juni 1941

Stab / KG 40 Rennes Ju 88A
I. / KG 40 Cognac Fw 200 C
II. / KG 40 Cognac Do 217E, He 111H
III. / KG 40 Brest He 111H
Stab / Küstenfliegergruppe 106 Amsterdam Ju 88A
3. / Küstenfliegergruppe 106 Amsterdam Ju 88A
Stab / Küstenfliegergruppe 406 Brest He 115
2. / Küstenfliegergruppe 506 Brets He 115
1. / Küstenfliegergruppe 906 Brets He 115
5. / Bordfliegergruppe 196 Brest Ar 196
Stab / Küstenfliegergruppe 606 Lannion Do 17 Z
1. / Küstenfliegergruppe 606 Lannion Do 17 Z
2. / Küstenfliegergruppe 606 Lannion Do 17 Z
3. / Küstenfliegergruppe 606 Lannion Do 17 Z
3.(F) / 122 Amsterdam Bf 110 C-5

 

17. April 1942

9. / KG 40 Rennes Fw 200C
Stab Küstenfliegergruppe 406    
2. / Küstenfliegergruppe 906   He 115
5. / Bordfliegergruppe 196 Cherbourg Ar 196
3. (F) / Aufklärungsgruppe 123   Ju 88
Küstenfliegergruppe 106   Ju 88

 

15. Januar 1943

III. / KG 40   Fw 200 C
3. (F) / Aufklärungsgruppe 123   Ju 88 C
V. / Kampfgeschwader 40   Ju 88 C
5. / Bordfliegergruppe 196 Cherbourg Ar 196

 

4. Literatur und Quellen:

Sönke Neitzel: Der Einsatz der deutschen Luftwaffe über dem Atlantik und der Nordsee 1939- 1945. Bernard & Graefe Verlag, Bonn, 1995
Bibliothek für Zeitgeschichte / Landesbibliothek Stuttgart: Monatsübersicht über die Einsätze des Fliegerführers Atlantik November 1941, Dezember 1941: III L 14/6